Cosima und der Diamantenraub

Autor*in
Noakes, Laura
ISBN
978-3-7488-0254-9
Übersetzer*in
Wahrendorff, JanaFliedner, Hanna Christine
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Sorrentino, Flavia
Seitenanzahl
287
Verlag
Dragonfly
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanFantastik
Ort
Hamburg
Jahr
2024
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Cosima und ihre Freundinnen haben unterschiedliche körperliche Behinderungen, sind aber äußerst intelligent, kreativ und wagemutig. Um aus ihrem Londoner Heim ausbrechen zu können, wollen sie einen berühmten Diamanten aus einer Ausstellung stehlen und sich damit freikaufen. Ob das mit ihren Behinderungen gelingt?

Beurteilungstext

Laura Noakes hat ihre äußerst spannende Handlung in das London des Jahres 1899 verlegt. Cosima lebt seit über elf Jahren mit einigen anderen in einem Heim für "beklagenswerte Mädchen". Damit ist gemeint, dass sie körperliche Behinderungen haben, aber geistig sehr fit sind. Die Heimleitung ist zu ihnen böse und gemein, lässt sie hungern und unmögliche Arbeiten verrichten. Cosima und ihre drei Freundinnen wehren sich immer öfter dagegen, in dem sie versuchen, aus der Küche auf abenteuerlichem Weg, Kuchen zu klauen. Diese vier Mädchen haben zwar körperliche Behinderungen aber unterschiedliche Fähigkeiten. Damit ergänzen sich die Vier zu einem konstruktiven Team.
Der letzte Kuchendiebstahl ist zwar misslungen, doch sie haben die Heimleitung belauschen können. So haben sie erfahren, dass der berühmte Entdecker und Forscher Lord Francis Fitzroy eine große Ausstellung seiner sog. Raubgüter in London, in einem extra für ihn angefertigten Palast, ausstellen will. Außerdem will er der Heimleitung die 20 Mädchen aus dem Heim "abkaufen". Was steckt hinter diesen Plänen? Und die Heimleitung ist finanziell am Ende, also zum "Verkauf" bereit. Und es taucht eine junge Ingenieurin auf, die sich seltsam benimmt, Sympathie für die Mädchen zeigt und an ihren Fingern entdecken Cosima und ihre Freundinnen nicht Öl- sondern Tintenspuren.
In Cosima reift der Plan, die Diamanten aus der Ausstellung zu klauen, sie den rechtmäßigen Besitzern in den Kolonien wieder zurück zu geben und das Gold einzuschmelzen, um sich für eine bessere Zukunft frei kaufen zu können. Ihr Plan nimmt konkrete Formen an, ihre Freundinnen sind bereit, ihre Fähigkeiten einfließen zu lassen und außerdem treffen sie auf einen Jungen, der Taschenspielertricks beherrscht und ihnen hilft.
Sie können tatsächlich die Raubdiamanten klauen, doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Ungeklärt sind die fiesen Pläne des Lords. Und welche Rolle spielt diese Ingenieurin, die drei verschiedene Identitäten hat? Bekommen die 20 behinderten Mädchen wirklich ihre Freiheit und kann Cosima ihren Vater wieder treffen?
Laura Noakes hat einen äußerst spannenden Kinderroman geschrieben. Wenn man glaubt, dass ein Problem gelöst sei, so tauchen in direkter Folge neue auf. Somit gibt es über die knapp 300 Seiten keinen Spannungsabfall. Die 23 Kapitel plus dem Epilog sind relativ kurz, so dass auch nicht so geübte Leser:innen am Ball bleiben. Dialoge, Beschreibungen, Vermutungen und überraschende Aktionen wechseln einander ab.
Neben dieser spannenden Handlungsebene ist eine weitere Ebene eingebaut: Warum wurden Kinder mit Behinderung in solch deprimierenden Heimen gehalten? Das erinnert irgendwie an Charles Dickens. Warum war es im damaligen Königreich England möglich - Queen Victoria war noch zwei Jahre Herrscherin über ein koloniales Weltreich - ungestraft Kunst jeglicher Art aus den Kolonien zu rauben und in England in einer großen Schau auszustellen? Kann man Kinder kaufen? Und gibt es wirklich eine Impfung gegen jegliche Art der Behinderung? Und es taucht ein bemerkenswerter Satz auf, der allerdings, mit den Lesern:innen besprochen werden muss: ""Dies ist nicht Indien", zischte sie [Diya, ein behindertes indisches Mädchen aus dem Heim], "während sie mit dem Kopf auf die juwelenbunten Tücher deutete, die an den Seiten des ansonsten vergleichsweise spärlich dekorierten Verkaufstisches hingen. "Das ist eine verwässerte, britannisierte Version von Indien."" (S. 107). So gibt diese Ebene viel Spielraum zum Nachdenken, zum Diskutieren und in der Vergangenheit zu forschen.
Flavia Sorrentino hat zu diesem Kinderroman ausdrucksvolle Bleistiftzeichnungen geschaffen, die Richtung Karikatur gehen. Einerseits sind sie amüsant und lockern die Handlung auf, andererseits weisen sie schonungslos auf die gesellschaftlichen Vorstellungen von damals hin (z.B. S.71). Störend kann man allerdings die Mimik von Cosima (S.39) empfinden, die einen an klischeehafte Bilder von Hexen oder Vampiren denken lassen kann. Auch das Cover ist dem heutigen Verkaufstrend angepasst. Es wirkt reißerisch, man könnte meinen, es handelt sich hier um einen Hexen- oder Vampir-Roman. Dabei versteckt sich hinter diesem Cover ein intelligenter, spannender und hintersinniger Kinderroman, den auch Erwachsene mit Vergnügen und wahrscheinlich mit nachdenklicher Mine lesen können.
Dieser Roman ist ein Plädoyer für Freundschaft, Toleranz und Mitmenschlichkeit.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 20.03.2024