Chiisakobee. Die kleine Nachbarschaft

Autor*in
Mochizuki, Minetaro
ISBN
978-3-551-72095-5
Übersetzer*in
Angabe, ohne
Ori. Sprache
Japanisch
Illustrator*in
Mochizuki, Minetaro
Seitenanzahl
Verlag
Carlsen
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Eintauchen in eine andere Kultur: dies ermöglicht dieses Manga nicht nur durch den Inhalt und seine Verortung in der japanischen Gegenwart, sondern v.a. durch seine visuelle und erzähltechnische Gestaltung. Inzwischen ist bereits der vierte Band bei Carlsen erschienen, in dem unterschiedliche Charaktere durch tragische Vorfälle im Alltag miteinander verbunden sind.

Beurteilungstext

Minetaro Mochizuki gilt in Japan als talentiertester Mangaka seiner Generation. Mit „Chiisakobee“ hat er einen mehr als 60 Jahre alten Roman-Klassiker von Shugoro Yamamoto ins moderne Japan geholt. Doch auch wenn die Hauptfigur als Hipster visualisiert ist, die gegenwärtig auch auf diese Weise durch eine europäische Großstadt laufen könnte, so stellt sich schnell das Gefühl ein, in einer anderen Welt zu sein.
Denn Alteritätserfahrungen bietet dieses Manga zuhauf: die Hauptfiguren Shigeji und Ritsu sind ebenso eigenwillig wie die Erzählweise des Mangas. Bereits auf der ersten Seite wird man darauf hingewiesen, dass in Japan von hinten nach vorn und von rechts nach links gelesen wird, dieses Prinzip überträgt der Verlag auch auf die deutsche Ausgabe. Und dann lernen wir Shigeji kennen, der nach dem Tod seiner Eltern in der Heimat Verantwortung für das elterliche Unternehmen übernehmen muss. Nur zögerlich setzt er sich dieser neuen Lebenssituation aus und trifft dabei nicht nur auf Unterstützung und Hilfe. Ritsu, eine junge Frau, die bisher noch nicht viel von der Welt gesehen hat, soll ihn im Haushalt unterstützen; kümmert sich aber stattdessen v.a. um die Waisenkinder, deren Haus ebenfalls den Flammen zum Opfer fiel.
Bildsprachlich leuchtet Mochizuki die emotionale Welt seiner Helden hervorragend aus, ohne sie explizit zu machen: verschiedene Sequenzen zeigen Gestik und Mimik der Charaktere in unterschiedlichen Perspektiven, sodass man sich gut in die komplexe Innenwelt der Figuren einfühlen und sie miterleben kann. Nur für ungeübte Comicleser*innen ist dieser Genuss möglicherweise zuweilen gebrochen, wenn das slow motion und die Erzählsprünge bzw. Perspektivwechsel dafür sorgen, dass man nach einem "eigentlichen" Erzählstrang sucht. Wenn man diese Lesehaltung jedoch überwindet und sich ganz auf den zeichnerischen Detailreichtum und die gekonnte Umsetzung von zwischenmenschlichen Beziehungen und Begegnungen sowie die figurenspezifischen Verhaltensweisen einlässt, liest und sieht man mit Genuss. Denn die Leistung dieses Mangas liegt ganz sicher in der Auslotung der (Un-)Tiefen des Figurenerlebens. Dies wird erkennbar in den Szenen um die Waisenhauskinder, die in ihrer ganzen Unzulänglichkeit und Frustration doch sehr individuell gezeichnet und sprachlich eingeführt werden. Aber auch das Einteffen "Yuko Fukudas" im Elternhaus von Shigeji wird höchst einfühlsam inszeniert.
Fazit: Chiisakobee ist ein subtiles Manga für Kenner*innen des Genres und solche, die es werden wollen.

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Diese Rezension wurde verfasst von FC; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 01.04.2019