Capri und Kartoffelpuffer

Autor*in
Bosetzky, Hans
ISBN
978-3-423-20995-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
520
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
9,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Manfred Matuschewskis Jahre auf dem Gymnasium im Berlin der 50er Jahre.

Beurteilungstext

Capri und Kartoffelpuffer - das ist ein Roman über die Zeit in Deutschland, wo man von Ferien auf Capri träumte und zu Hause Kartoffelpuffer aß, ein Leben zwischen dem Traum vom Mondänen und der beengten und biederen Bürgerlichkeit der 50er Jahre, die zeit, als die Mädchen Petticoats trugen und die Jungs noch Halbstarke waren.
Horst Bosetzky, geb. 1938 in Berlin, emeritierter Soziologieprofessor, fängt hervorragend Atmosphäre und Stimmung der Zeit ein, in der Deutschland sich bereits aus den Trümmern erhoben hatte und die Jugend bereits zwischen Aufbegehren und Duckmäuserei schwankte - ein perfekt erzählter Roman und so absolut korrekt bis ins allerkleinste Detail, wie es nur einer schreiben konnte, der die Zeit selbst miterlebt hat.
Manfred Matuschweski, Neukölln, ist in diesem Roman zum typischen Teenager der Zeit herangewachsen: Mitglied im Fußballverein, hört er gern Schlager, geht aus Gymnasium, das er mit Ach und Krach schafft. Für Manfred gibt es Wichtigeres als die Schule. Mädchen zum Beispiel, und die Kumpels. Und während seine Eltern, eine typische kleinbürgerliche Durchschnittsfamilie der 50er Jahre, alles daran setzen, aus ihm ein nützliches, sprich angepasstes Glied der Gesellschaft zu machen, damit er es im Leben "zu etwas bringt", schlägt er sich mit anderen Interessen durch seine turbulenten Jahre am Gymnasium. Der Alltag dort ist grau und trist, mit Lehrern, die da ansetzen, wo sie vor dem Krieg aufgehört haben, gerade so, als habe es den Krieg nie gegeben. Manfred träumt sich weg aus dieser deprimierenden Realität, hin zu schicken Mädchen und hübschen Frauen an seiner Seite, ohne dass die Realität seinen Träumen auch nur im Entferntesten nachkommen würde.
Für den jugendlichen Leser mit seinen heutigen Freiheiten tut sich eine völlig fremde Welt und zeit auf. Liegt sie wirklich erst gute 50 Jahre zurück? Es könnten auch 100 und mehr Jahre liegen zwischen heute und der verklemmten, doppelbödigen Moral der 50er Jahre.
Bosetzky, dem Soziologen und Romancier, ist eine absolut überzeugende, klug strukturierte Geschichte gelungen, die umso echter wirkt durch die eingeschobenen Original-"Dokumente", die über die Perspektive Manfreds, aus der der Roman geschrieben ist, hinausgehen. Sie bezeugen und objektivieren das Gesagte, etwa die typischen Schlagertexte der Zeit, Rundfunkberichte, Zeitungsausschnitte. Ein guter Schachzug sind da auch die (fiktiven) Schulaufsätze Manfreds, in denen er sich mit anspruchsvollen gesellschafts- und bildungspolitischen Themen auseinandersetzen muss; sie gewähren Einblicke in Themenbereiche, deren Behandlung andernfalls im Text unorganisch hätte wirken können..
Für den jugendlichen Leser muss der Roman eigentlich faszinierend zu lesen sein, denn er zeigt eine Schulwelt, in der nicht nur die Dummen gefährdet waren, sondern auch die Klugen, weil diese wiederum mit ihrer Intelligenz diejenigen gefährdeten, die die Macht und das Sagen hatten.
Also ganz ähnlich wie heute. Und nicht nur in der Schule.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010