Blumkas Tagebuch

Autor*in
Chmielewska, Iwona
ISBN
978-3-9811300-6-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Chmielewska, Iwona
Seitenanzahl
64
Verlag
Gimpel
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
-
Jahr
2012
Lesealter
6-7 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
29,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Waisenhaus für jüdische Kinder. Einst lebte hier Blumka, und mit ihr Dr. Korczak, Frau Stefa und 200 Kinder. Zygmus, der einem silbernen Fisch das Leben schenkte, Reginka, deren Erzählungen selbst die dunkelste Nacht erhellten, Pola, die beschloss, in ihrem Ohr eine Erbse zu züchten, Chaim, den die Ameisen vor Gericht brachten, der kleine Kiesel, der beim Entladen des Kohlewagens helfen wollte, mit seinem Nachttopf, und Penny, das Mäuschen, dem die Brotkrümel vom Himmel fielen.

Beurteilungstext

(Inhaltsangabe aus dem Klappentext, ebenso wie der folgende kursive Text:)
Ihr Tagebuch ist nicht dick, aber manchmal - so meinte zumindest der Herr Doktor - "erfährt man aus einem dicken Buch nichts Neues, aus einem dünnen aber sehr viel". Aus Blumkas Tagebuch erfährt der Leser nicht nur über das Leben in einem Waisenhaus, sondern auch über Janusz Korczaks "fröhliche Pädagogik". Darüber, wie man ein Kind lieben soll. Iwona Chmielewska führt uns durch diese Welt auf Zehenspitzen, stets darauf bedacht, all das nicht aufzuschrecken, was sich hinter den winzigen Gesten des Alltags verbirgt. In Bild und Wort verwebt sie Fakten mit Fiktion, um jenen Kindern ein Gesicht zu geben, an deren tragisches Schicksal heute nur noch eine Inschrift erinnert, gemeißelt in einen Granitblock.
Ich bin kein Freund von Klappentexten, aber diese beiden Teile treffen den Kern des Bilderbuches genau. Bleibt nur noch nachzutragen, dass Korczak (ein Bruder im Geiste A.S.Neills) mit seinen Heimkindern im KZ umkam, weil er sie nicht alleine ziehen lassen wollte.
Die Bilder sind etwas Eigenes: Zeichnungen und Collagen aus billigem Schreibheftpapier, meist liniert und grober Karton, der das Tagebuch charakterisiert. Nicht von Theorie wird berichtet, nur von Beispielen, von scheinbar Nebensächlichem, zusammen liefern sie ein sehr genaues Bild von Korczaks Pädagogik: Der Erzieher steht nicht außerhalb oder gar oben, sondern ist genauso Element der Erziehung wie der Zögling und unterliegt denselben Gesetzen, die gemeinsam erarbeitet werden. Die Bilder zeigen Ruhe, Fürsorge, Sorgfalt, Neugierde und wie die Kinder damit umgehen - ihre selten einfache Vorgeschichte tritt in Bildsplittern auf - sie werden nicht explizit erklärt.
z.B." Zygmus, der ständig Hunger hat und dem sogar der Lebertran schmeckt" beginnt der Reigen der zwölf Kinderporträts. Kaum ein Kind weiß heute noch, wie widerlich Lebertran schmeckte und dass jedes Kind, das mangelernährt war, diesen schlucken musste. Aber jedes Kind versteht, was folgt: Ein ewig Hungriger schenkt dem Mittagessen - ein lebender Fisch, den er von seinem selbsterarbeiteten Geld kauft - das Leben. Und er erfährt Lob. Dahinter steckt ein ganzes Leben voller Hunger und die Erfahrung, dass man Gutes tun kann. - Nichts davon wird erwähnt, aber der Leser erfährt genug vom Leben der zwölf denkbar unterschiedlichen Waisenhauskinder. Allen gemeinsam ist die Erfahrung, dass sie Fähigkeiten haben, die andere bemerkenswert finden: Reginka kann gut erzählen, Kiesel ist auch mit fünf Jahren schon tapfer und stark, Abramek schenkt Liebe, Hannah lernt, Aaron weint, kann aber flicken und nähen, Pola züchtet eine Supererbse, Szymek bezwingt seine Wutausbrüche, Stasiek ist beliebt, Riwka ist Sportlerin, Chaim wird nicht bestraft, sondern in den Arm genommen und Blumka schreibt das Tagebuch. Und keiner überlebt den Naziterror - das aber steht nur versteckt in einem Nebensatz. Man kann darüber reden, muss es aber nicht.
Dass dieses Bilderbuch vor allem ein Buch über Korczak ist, geschrieben von einer kleinen Verehrerin (und der großen Autorin) erkennt man an den anschließenden 19 Seiten über ihn, die alle beginnen mit Der Herr Doktor … und seine Prinzipien erklären. Das können auch Kinder verstehen.
Die Doppelseiten zeigen jeweils einen Ausschnitt vom Tagebuch, um den herum Zeichnungen, Collagen, Schnipsel und die kurzen Textteile angeordnet sind. Chamois sind die Buchseiten, grau die Tagebuchblätter, das linierte Schreibpapier, aus dem viele Collagenteile entstanden, wird genial kreativ eingesetzt. Erstaunlich, was man aus diesem Billigpapier alles machen kann!
Die beiden Vorsatzblätter zeigen das exemplarisch: grünlicher Karton vorne, eine Wäscheleine aus dem Schreibheftlinienpapier, auf dem realistisch gezeichnete weiße Hemdchen mit Wäscheklammern im Wind wehen. Und hinten: grauer monochromer, grober Karton, unten, ganz unten am Rand wachsen Vergissmeinnichtstängel mit den blauen Blüten.
Der Leser und Betrachter ist gefordert, mitzudenken und zu fragen. So muss ein Bilderbuch aussehen, das nachdenklich macht. Cjh12.13

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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