Biest und Bethany - Nicht zu zähmen

Autor*in
Meggitt-Philipps, Jack
ISBN
978-3-7432-1081-3
Übersetzer*in
Thiele, Ulrike
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Follath, Isabelle
Seitenanzahl
268
Verlag
Loewe
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanFantastik
Ort
Bindlach
Jahr
2021
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Papagei Patrick muss tatsächlich sterben: Er wird gefressen von dem gruseligen Biest, das der unsympathische Ebenezer Tweezer auf seinem Dachboden hält. Und er ist nicht der einzige, der dem Untier im Grusel-Kinderroman "Biest und Bethany" zum Fraß vorgeworfen wird. Jack Meggitt-Philipps legt mit diesem Serienauftakt einen echten kinderliterarischen Schocker vor, voller Situations- und Sprachkomik, mitreißend und doch sensibel in der Figurenkonzeption. Nichts für schwache Nerven und bewahrpädagogische Didaktik, dafür ein echt starker Text voller überraschender Wendungen, Spannung und Komik von der ersten bis zur letzten Seite. Passend illustriert von Isabelle Follath.

Beurteilungstext

Einen solchen Erzählbeginn findet man in der Kinderliteratur selten. Denn schon das erste Kapitel wartet mit einem drastischen Schockmoment auf. Die Handlung setzt in medias res ein. Ebenezer Tweezer, der als „schrecklicher Mensch“ (S. 9) vorgestellt wird, geht in eine Vogelhandlung, in der er einen besonders sympathischen und einzigartigen sprechenden Papagei namens Patrick erwirbt, der als fröhlicher Sympathieträger auftritt. Ebenezer nimmt den liebevollen Vogel mit nach Hause, wo er ihn dem Biest vorstellt, das auf seinem Dachboden wohnt. Arglos plappernd kommt Papagei Patrick der Aufforderung des Untiers nach, immer näher zu kommen, dabei fragend, was das denn solle: „Das war die letzte Frage seines Lebens“ (S. 20). So endet das erste Kapitel. Die Illustrationen von Isabelle Follath zeigen an dieser Stelle nur noch die gerupften Vogelfedern. Spätestens dann ist man wach und voll hineingezogen in den Rausch dieser Lektüre, die einen buchstäblich gefangen nimmt. Denn kurz nach diesem Schocker zu Beginn verlangt das Biest nach einem Kind, das es fressen möchte. Ebenezer Tweezer versucht nach anfänglichem Zögern, ihm auch diesen Wunsch zu erfüllen, denn ohne die Magie des Untiers wäre er schon lange tot. Das Biest versorgt ihn seit über 500 Jahren mit einem Verjüngungstrank, der ihm ewige Jugend beschert. Von dieser Abhängigkeit getrieben fährt Ebenezer in ein Waisenhaus, wo er das unsympathischste und frechste Kind mitnimmt, dem er dort begegnet: Bethany. Aber das dauerhaft wütende Mädchen ist dem Biest auf den ersten Blick viel zu dünn. So beginnt Ebenezer das Kind zu mästen und mit Essen vollzustopfen. Doch der Plan geht nicht auf, denn zwischen den beiden Außenseiter*innen entwickelt sich langsam eine liebevolle Beziehung, die es Ebenezer unmöglich macht, Bethany an das immer hungrige und brutale Biest zu verfüttern. Was nun? Die beiden nehmen den Kampf gegen das Böse auf – und gewinnen ihn. Zunächst, denn der Ausblick auf die Reinkarnation des Untiers beschließt diesen unheimlichen Kinderroman und eröffnet somit auch eine Perspektive auf den Fortgang der gruseligen Handlung im zweiten Band.
Absolut irre! In intertextueller Referenz auf Märchen und Klassiker der Horror- und Gruselliteratur entfaltet der Brite Meggitt-Philipps hier eine Handlung, die einen schier atemlos macht, und entfacht ein Feuerwerk der Grusel-Motivik. Die ganze Zeit hofft man, dass der Papagei irgendwie doch wieder zum Leben erwacht. Vergeblich. Stattdessen frisst das Biest tatsächlich noch einen Menschen – wenn auch nicht die gewitzte Protagonistin Bethany. Die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Waisenkind und dem alten Mann, der nicht altern will, beschreibt der Text wunderbar sensibel. Zum Ende hin gesteht Ebenezer Bethany, dass er sie eigentlich nur aus dem Waisenhaus geholt hatte, um sie an das Biest zu verfüttern. Sie ist schockiert, und doch ergibt sich gerade aus dieser ehrlichen Öffnung eine starke Zuneigung, sodass sie sich mit vereinten Kräften dem bösen Biest entgegenstellen können.
Keine Idylle, kein Schonraum – das ist echte Gruselliteratur, und man mag darüber streiten, wie Kinder mit dieser phantastischen Grausamkeit umgehen können, denn diese geht über die Grausamkeit der Grimmschen Märchen insofern hinaus, als hier mit dem Papagei Patrick ein Sympathieträger gefressen wird und nicht wieder aus dem Bauch des Untiers herausgeschnitten wird, so wie Rotkäppchen und seine Großmutter oder die sechs Geißlein und seine Mutter aus dem Bauch des Wolfes. Die Situationskomik und der Wortwitz der Narration aber sind so stark, dass der Kinderroman als sehr empfehlenswert eingestuft wird – vielleicht nicht als Klassenlektüre in der Schule, aber als großartige Freizeitlektüre für alle kindlichen und erwachsenen Grusel-Fans!

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Diese Rezension wurde verfasst von Kirsten Kumschlies; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 23.01.2023