Beta... civilisations

Autor*in
Harder, Jens
ISBN
978-3-551-78989-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Haeder, Jens
Seitenanzahl
368
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
49,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Harder eröffnet den über 360 Seiten umfassenden Band am Ende der Kreidezeit, als das Aussterben der Dinosaurier die Etablierung der Säugetiere ermöglicht. Befreit von der Konkurrenz der Urechsen ist der Weg frei für den Urmenschen: Die Entwicklung vom Primaten bis zum denkenden und sprachbegabten Wesen kann beginnen.

Beurteilungstext

Endlich! Über viereinhalb Jahre nach „Alpha... directions“ ist mit „Beta... civilisations“ der zweite der auf vier Bände angelegten Weltchronik von Jens Harder bei Carlsen erschienen. Nachdem der Autor im ersten Band die Geschichte des Universums vom Urknall bis zur Entstehung der ersten Humanoiden erzählt hat, widmet sich der zweite Band der Zoologie und Geschichte des Menschen.
Harder eröffnet den über 360 Seiten umfassenden Band am Ende der Kreidezeit, als das Aussterben der Dinosaurier die Etablierung der Säugetiere ermöglicht. Befreit von der Konkurrenz der Urechsen ist der Weg frei für den Urmenschen: Die Entwicklung vom Primaten bis zum denkenden und sprachbegabten Wesen kann beginnen.
Diese Evolution beschreibt Jens Harder nicht in der Grammatik der Schriftsprache – sondern er veranschaulicht und illustriert sie in einer unvergleichlichen Compilation von Bildzitaten: In einer atemberaubenden Bildersammlung, die über 2.000 Kunstwerke, Illustrationen, Abbildungen, Film- und Comicpanels der Kulturgeschichte umfasst, zeichnet er 65 Millionen Jahre Erdgeschichte nach.

„Der ehrgeizigste Comic der Welt“
Jens Harders „Weltchronik in Bildzitaten“ ist der Beweis dafür, dass es auch im 21. Jahrhundert noch Projekte gibt, die so ehrgeizig und größenwahnsinnig sind, dass sie an die Titanen des 19. Jahrhunderts erinnern: An Schopenhauer und Nietzsche, an Darwin und Freud.
Harders Ziel ist eine bild-ästhetische „Darstellung der Darstellung“ der Geschichte der Welt. Wie schon in Alpha... directions hat Harder dafür so viele Bildquellen wie möglich zusammengetragen – und nur dort wo es unbedingt nötig war aus eigener Imagination gezeichnet. Für den aktuell vorliegenden 2. Band Beta... civilisations hat Harder über 2000 (nach-)gezeichnete und zu innovativen Metapanels komponierte Bilder der Kulturgeschichte ausgewählt und zusammengetragen. Dafür hat er eine Unmenge von bildkünstlerischen Quellen „geplündert“, um sie zu dieser einzigartigen Compilation zu verarbeiten. Die Werke von weit über 300 Illustratoren, Malern, Comiczeichnern, Fotografen, Filmemachern und Bildhauern werden im Anhang akribisch belegt. Damit entgegnet Harder dem unsinnigen Vorwurf des Plagiats. Unsinnig deshalb, weil die ästhetische Leistung seiner Arbeit nicht (nur) in der handwerklichen Meisterschaft der nachgezeichneten (nicht kopierten!) Einzelpanels besteht – sondern in der sinnvollen und sinnerweiternden Auswahl und Komposition eben dieser vorgefundenen Einzelbilder: Kulturgeschichtliche Entwicklungen und Innovationen werden so in einen sinnvollen Rhythmus und mit philosophischen, religiösen und naturwissenschaftlichen Interpretationen in Beziehung gesetzt, wodurch die evolutionär-chronologische Erzählung immer wieder deutend aufgebrochen wird.

„Die Geschichte ist die Fortsetzung der Zoologie“
Der erste Band Alpha... directions endete mit einem Ausblick auf die Evolution des Menschen: Auf der letzten Seite sah man einen Urmenschen, der einen Speer – von sich weg – in die Geschichte der Menschheit schleuderte. Dieser Speerwurf war Prolog und Trailer für Beta... civilisations, der die Entwicklung des Menschen aus der Steinzeit in die Gegenwart illustriert. So zeigen die ersten Seiten von Beta... civilisations das Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren. Der blaue Planet ist noch fest im Griff einer enorm vielfältigen Flora und Fauna. Die Zukunft aber wird den Nachkommen von rattenartigen, insektenfressenden Waldbewohnern aus der Familie der Mamalia gehören. In großen evolutionären Schritten führt Harder diese säugenden Baumbewohner erst von den Bäumen herunter und dann hinaus aus dem Areal des schützenden Blätterdachs der Urwälder. Um den vielfältigen Gefahren auf offenem Gelände zu entgehen, richten sich diese schon menschenähnlichen Urwesen auf und schließen sich zu Horden zusammen: Die Zoologie wandelt sich zur Geschichte.
Doch schon von den ersten Seiten an ist Harders Entwurf viel mehr als eine naturwissenschaftliche Chronik. Harder erzählt nicht nur in linearer Horizontalität – er denkt auch vertikal. Entsprechend streut Harder immer wieder Ausblicke und Perspektiven zwischen die evolutionären Beschreibungen, widmet ganze Metapanels für enorme zeitliche Sprünge und versteckt eine Vielzahl von deutenden Querverweisen. Damit eröffnet er neben seiner naturwissenschaflich-faktischen Perspektive eine sozialwissenschaftlich-interpretatorische: Er suggeriert dem Betrachter Möglichkeiten der Interpretation von Evolution und Geschichte. Beispielsweise wenn er die ersten Werkzeuge, Waffen, Behausungen und Fortbewegungsmittel des Urmenschen in direkte Beziehung zur Gegenwart setzt: So gruppieren sich um den steinzeitlichen Donnerkeil automatische Handfeuerwaffen und Kettensägen mit Benzinmotor; um das erste Floss gruppiert sich U-Boot und Öltanker; die erste Reisig-Jurte wächst sich zu den Pyramiden und dem Empire State Building aus; die erste Fellbekleidung wird zur Haute Couture; und die ersten Wurzel- und Beerensammler entwickeln (oder pervertieren?) sich zu Philatelisten und Modelleisenbahnern. Man mag diese erzählerischen Verdichtungen und Zuspitzungen als verkürzt und tendenziös empfinden – und das sind sie ohne Zweifel oftmals auch – v.a. dann, wenn sie jenseits unserer political correctness anzusiedeln sind. Beispielsweise wenn Harder Bilder vom Untergang Roms direkt mit den allgemein bekannten Zeitungsfotos des 11. September in Beziehung setzt. Zugleich verweisen sie aber auch auf Deutungsmöglichkeiten, wie sie erst im retrospektiven Blick auf die Geschichte bewusst werden können: „Denn Evolution – auch die Evolution der Technik – ist nach vorn blind“ sagt der Autor im Nachwort; und „die Eule der Minerva fliegt erst in der Dämmerung“ möchte man mit Hegel hinzufügen.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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