Berlinoir

Autor*in
Meissner, Tobias
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kleist, Reinhard
Seitenanzahl
148
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2013
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
24,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In einem alternativen Berlin der 1920er Jahre haben Vampire die politische Macht übernommen. In ihrem faschistischen Überwachungsstaat wird die Masse der Bevölkerung – die ""normalen Sterblichen"" – in Unmündigkeit gehalten. In sogenannten Blutfabriken – die nur schlecht ihre Ähnlichkeit mit den Konzentrationslagern der Nazis verhehlen – wird ihnen systematisch der ""Lebenssaft"" ausgesaugt. Doch eine kleine Minderheit unbeugsamer Menschen hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten...

Beurteilungstext

""Berlinoir"" ist der Titel einer Underground-Comicreihe des Zeichners Reinhard Kleist und des Autors Tobias O. Meißner. Drei Bände sind zwischen 2004 und 2008 erschienen, und Carlsen legt die Triologie nun erstmals als überarbeitete Gesamtausgabe mit ergänzenden, neu kolorierten Zeichnungen und neuem Buchsatz auf.
Auf den ersten Blick ist ""Berlinoir"" das Paradebeispiel dafür, wie man einen Geschichte ohne Handlung und Anspruch erzählt. Ganz in der Tradition der bildgewaltigen Actioncomics der 80er erzählt es eine Politparabel auf niedrigem Niveau: In einem alternativen Berlin der 20er Jahre haben Vampire die politische Macht übernommen. In ihrem faschistischen Überwachungsstaat wird die Masse der Bevölkerung – die ""normalen Sterblichen"" – in Unmündigkeit gehalten. In sogenannten Blutfabriken – die nur schlecht ihre Ähnlichkeit mit den Konzentrationslagern der Nazis verhehlen – wird ihnen systematisch der ""Lebenssaft"" ausgesaugt. Doch eine kleine Minderheit unbeugsamer Menschen hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten...
Die Parabel ist über weite Teile recht banal. Die intertextuellen Anspielungen auf die Deutsche Geschichte von der Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung sind wenig innovativ und häufig verkommen sie zu leeren Wort- bzw. Bildhülsen.
Und dennoch – ""Berlinoir"" fesselt den Leser. Dies liegt natürlich v.a. an Reinhard Kleist, einer der profiliertesten Comic-Zeichner in Deutschland, der mit grandioser Bildästhetik sowohl Publikum als auch Kritiker zu überzeugen weiß: innovative Panelübergange, interessante Perspektiven und gut komponierte Metapanels auf beinahe jeder Seite. Die farbgewaltige Kolloration tut ihr übriges. Doch auch der Ideengeber Tobias O. Meißner, der mit Fantasyromanen wie “Die Dämonen” bekannt wurde, kann bestehen – sieht man einmal von der dünnen Story ab. Die Darstellung politischer Antagonismen ist nämlich durchaus differenziert – und lässt sich nicht in ein plattes Freund-Feind-Schema übersetzen. Zudem ist das mythisch-literarische Motiv des Vampirismus interessant variiert und so wird ganz nebenbei eine ansprechende Mythenkorrektur erzählt.
Auch wenn die Story von ""Berlinoir"" ihre Schwächen haben mag – dieser Comic erreicht sein Publikum. Würde das Duo Kleist & Meißner eine Serie daraus machen – sie würde genug Leser finden. Und zwar nicht nur bei Teenagern von 14 bis 18. Auch der erwachsene Leser wird ästhetisches Vergnügen an Kleists oppulenter Bilderflut empfinden und sich wohlwollend an Meißners Coming-of-Age-Poetik erfreuen.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.01.2010