Bei den wilden Kerlen

Autor*in
Eggers, Dave
ISBN
978-3-86717-533-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
Verlag
Der Hörverlag
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,95 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

Max lebt mit seiner Schwester bei seiner Mutter mit deren neuem Lebensgefährten. Keiner hat Zeit für ihn, also treibt er garstige Streiche. Als Max' Mutter der Kragen platzt, rennt er weg und landet auf der Insel der wilden Kerle. Hier fangen die Abenteuer an, denn erst soll er gefressen werden und dann muss er als König regieren. Keine leichte Aufgabe, stellt Max fest.

Beurteilungstext

Dem Hörbuch liegt ein Roman zgurunde, der wiederum auf Maurice Sendaks "Wo die wilden Kerle wohnen" zurückgreift.
Die Idee ist ein Experiment: Sendaks Riesenfantasietiere zu den Protagonisten eines längeren Textes zu machen und die als Bild in den Köpfen zumindest amerikanischer Kinder existierenden Gestalten durch Text mit Charaktereigenschaften auszustatten und auf andere Art zum Leben zu erwecken. Max' Traum von den wilden Kerlen, die er trifft, als er wegen garstigem Verhalten auf sein Zimmer geschickt wird, wird in epischer Länge als Roman ausgebreitet. Die Struktur des Romans folgt sehr genau der Bilderbuchvorlage und setzt auch die Diskrepanz zwischen Max' Zeit auf der Insel der wilden Kerle und der Zeit in der Realität synchron um: 3 CDs des Hörbuchs sind ausschließlich den Erlebnissen in Max' Fantasie gewidmet, knapp 2 CDs bilden den Rahmen im Hier und Jetzt. Obwohl Max nach seiner Rechnung Monate oder Jahre auf der Insel war, ist in Wirklichkeit kein Abend vergangen; das Essen, das ihm seine Mutter aufgehoben hat, ist noch warm.
Was an Sendaks Darstellung die Fantasie beflügelt, nämlich die stringente Folge der weltbekannten Bilder, deren Zwischenräume jeder Betrachter mit seinen eigenen Geschichten füllen kann, indem er sich vorstellt, was er an Max' Stelle anstellte, wäre er König über die Ungetüme, bringt bei Eggers' Text Probleme: Eggers lässt seiner Fantasie freien Lauf, entwirft launische, gefährliche, ungehemmte Geschöpfe, die eigentlich nur zeitweise durch Max beherrscht werden und für ihn eine latente Gefahr darstellen. Ein sinistrer Ton schwingt immer mit, anders als bei Sendaks Vorlage, bei der es um Wildheit bei Kindern und ihre Fantasie geht: ein Universum, das Erwachsenen manchmal schwer zugänglich ist. Der Spaß am Grotesken spielt eine wichtige Rolle, daher sehen die wilden Kerle aus, wie sie aussehen: nach Erwachsenendafürhalten nicht schön oder ordentlich, nach kindlichem (Max') Sinn aufregend und mächtig, weil so ganz anders als Erwachsene, die auch mächtig, aber nicht aufregend sind aus der Sicht eines Kindes.
Die Geschichten, die Eggers um diese Figuren webt, gleichen sich jedoch zu sehr, um mit einer Gesamtspielzeit von über 6 Stunden noch abwechslungsreich zu sein. Der rote Faden verliert sich, die Handlung stagniert, nach der 3. CD ist jedes Interesse erloschen. Die Moral von der Geschicht' hat man auch dann schon begriffen. Die Kürze von Sendaks Vorlage hat ihren Grund: wo er Freiraum lässt, türmt Eggers Beispiel um Beispiel zur Langeweile, seine Fantasie muss der Leser nicht mehr einsetzen, Eggers verhindert dies durch Detailreichtum.
Ob man darüber hinaus Eggers' etwas düstere Interpretation teilt, bleibt jedem überlassen. Der Autor reflektiert Max' eigenes Verhalten gegenüber seiner Familie, der daraus lernt, dass man nicht immer wild und unbeherrscht sein kann (wie die wilden Kerle), sondern dass man Rücksicht auf andere nehmen muss und es Dinge gibt, die nur miteinander Spaß machen. Ewas dick aufgetragen in der enormen Breite.
Erlösendes Moment der CD ist der Sprecher Dietmär Bär, der jedem der wilden Kerle ein eigenes Profil verschafft, von launisch bis träge, mitfühlend-kindlich oder nervös-hintertrieben.
Dennoch ist das Volumen des Textes für Kinder denkbar groß, man kann Zweifel äußern, ob junge Zuhörer wirklich mehr als 6 Stunden auf eine Geschichte ohne große Entwicklung verwenden wollen.
Eggers macht aus einem genialen Bilderbuch, das zeitlos ist, einen langatmigen Text, der zwar zeigt, wie präsent Sendaks Buch noch immer ist (vor allem in den USA und englischsprachigen Ländern, Sendak ist dort eine Ikone und genießt einen anderen Status als bei der breiten Öffentlichkeit in Deutschland, da er hier oft unbekannt ist), aber ihm gerecht zu werden, schafft dieser Text nicht.

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Diese Rezension wurde verfasst von EH.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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