Bartleby der Schreiber

Autor*in
ISBN
978-3-942787-37-6
Übersetzer*in
Möring, Richard u.
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Poulin, Stéphane
Seitenanzahl
56
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Berlin
Jahr
2014
Lesealter
8-9 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Weniger bemerkenswert und weniger aktiv als Bartleby, der neue Schreiber des Rechtsanwalts, gibt es wohl niemanden. ""Ich möchte lieber nicht"" sagt er sanft und bestimmt und gar nicht aufsässig, und niemand kann ihn dazu bewegen, irgendeine Erwartung zu erfüllen. Im Gegenteil: Bartleby stellt jede Aktivität ein, starrt hinter dem Paravent nur aus dem Fenster auf die Ziegelmauer direkt gegenüber. Nein, die Kanzlei verlassen möchte er lieber auch nicht.

Beurteilungstext

Der Rechtsanwalt erzählt die Geschichte, die ihre Spannung dadurch erhält, dass es da jemanden gibt, der nichts tut. Wir befinden uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Süden Manhattans, dem berühmten Stadtteil von New York City. Der derzeit recht viel beschäftigte Rechtsanwalt benötigt neben seinen beiden Schreibern und Kopisten in seiner Kanzlei einen dritten. Auf die Zeitungsanzeige hin meldet sich Bartleby, ein ""steifleiniger junger Mensch ... ausdruckslos sauber, erbarmungswürdig achtbar, hoffnungslos einsam"" - offensichtlich eine Idealbesetzung für die Aufgaben, die vor allem im Abschreiben von Texten besteht. Außerdem scheint er ein guter Katalysator zu den beiden anderen Schreibern zu sein: der eine regellos, der andere mit feurigem Temperament, der eine vormittags, der andere am Nachmittag eher unausstehlich. Und dann sagt Bartleby irgendwann zu einem Auftrag des Rechtsanwalts mit sanfter, aber fester Stimme den Satz, der der Geschichte seinen Stempel aufdrückt: ""Ich möchte lieber nicht."" Langsam und trotz seiner Unverrückbarkeit ehrerbietig, mit ""großer Bestimmtheit und Kaltblütigkeit"": Ich möchte lieber nicht.
Der Text im großformatigen Buch ist zweispaltig gedruckt. Er beginnt sehr langsam, fast langatmig. Der erste Schreiber erhält über 5 Spalten, der zweite zweieinhalb, der Bürolehrling immerhin noch eine halbe. Die ersten Dialoge gibt es erst nach 16 Spalten. Nichts für Kinder, die schnell nur ihre Daumen an den kleinen Geräten benutzen. Null Action. Im Gegenteil: Bartleby wird durch seine Weigerung und seine Untätigkeit Sinnbild für die Sinnfragen des Lebens. Er fällt völlig aus der Norm, beklagt sich nicht, ist nicht aufsässig, stellt nichts infrage - und damit alles.
Die Übersetzung der Geschichte nutzt auch Wörter, die nicht nur heute nicht gebräuchlich sind: Aktenfaszikel, kollationieren, Kommis. Der Begriff ""Tombs"" (Gräber, Gruften) für das Gefängnis wird von den Übersetzern übernommen und erklärt.
Trotz der Länge des Textes ist das Buch auffällig wegen der Bilder. Stéphane Poulin zeichnet realistisch mit dem Lichteinfall der klassischen niederländischen Schule. Seine Personen fallen wegen ihrer erheblich zu großen Nasen auf. Die Kleidung entspricht der des Bürgertums aus jener Zeit. Die Menschen, alles Männer, zeigen nicht eingefrorene Bewegung, sondern fast immer Ruhe und Stille.
12 ganzseitige, 2 halbseitige und 4 doppelseitige Bilder kürzen den Lesetext, dazu kommen mehrfach in die Mitte der Seiten kleine farbfreie Illustrationen: ein Tintenfass auf einigen Geldscheinen, der Bürolehrling, ein Schlüssel, ein Stuhl, ein Paravent.

Bartleby, der Schreiber, ist das fünfte Buch des Verlags Jacoby & Stuart unter dem Motto ""Illustrierte Weltliteratur"" und wird sogar mit einem Trailer auf YouTube beworben. Mit Recht! Der Aspekt ""Bilderbuch ist etwas für kleine Kinder"" kann getrost außer Acht gelassen werden, allerdings erfordert gerade die geringe Aktion innerhalb der Geschichte einige Standfestigkeit beim Lesen. Falls man Achtjährigen noch vorliest, dann kann dies sehr empfohlen werden, ansonsten ist das Buch wohl doch eher etwas für Erwachsene oder Jugendliche auf dem Weg dorthin.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010