Aurora und die Sache mit dem Glück

Autor*in
Weeks, Sahra
ISBN
978-3-446-27249-1
Übersetzer*in
Jakobeit, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
157
Verlag
Hanser
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München/Wien
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Aurora ist anders als andere Kinder - „komisch“ sagen ihre Mitschüler, „besonders“ sagen ihre Eltern. Aurora lässt sich davon absolut nicht einschüchtern. Die 12-jährige spricht gerne in ihrer Geheimsprache, zählt Gegenstände, ist klug und empathisch und einfach sie selbst. Dafür muss sie immer wieder einstehen, einige Hürden überwinden und über sich hinauswachsen. Sie ist auf der Suche nach Antworten: über ihre Familie, sich selbst und vor allem über große Themen wie Schicksal, Bestimmung und Glück. Oder wie man es auch nennen mag… denn brauchen wir wirklich für alles Namen und Kategorien?

Beurteilungstext

„Die Leute haben es heutzutage furchtbar eilig, jeden mit einem Etikett zu versehen, der nicht ins Bild passt […] Nicht alles hat einen Namen.“
– „Ich schon […] – Aurora.“ (Weeks 2022)

Sarah Weeks erzählt aus der Sicht von Aurora, der 12-jährige Protagonistin dieses Werkes, den Leserinnen und Lesern auf eine sehr anschauliche, reflektierte und empathische Art aus ihrem Leben, von sich selbst und ihrer Familie. Obgleich sie aufgrund ihrer verschiedenen Eigenarten, wie repetitiven Bewegungsticks, Geheimsprachen und unvorhergesehenen Wutausbrüchen in der Schule Ausgrenzung erfährt, gibt sie sich mit ihren liebevollen Eltern und ihrem besten Freund „Duck“, dem zugelaufenen Familienhund, sehr zufrieden.

Die Protagonistin wird als ungewöhnlich klug beschrieben und zeichnet sich durch eine hohe Auffassungsgabe und eine Begabung für bildliche Sprache und anschauliche Metaphorik aus, wenn beispielsweise das Gefühl, ein Geheimnis zu haben, so beschrieben wird, als wäre sie „ein Glas voller Leuchtkäfer“ (S.39) oder aber wenn ein schlechtes Gewissen als „verdrehte Brezel aus Schuld“ (S. 40) zu erklären versucht wird. Zusätzlich zu ihrer Sprachgewandtheit verkörpert Aurora einen herrlichen Sinn für Humor, Aufgewecktheit und Sensibilität.

Meiner Ansicht nach wirkt Aurora dadurch in vielen alltäglichen Situationen um Einiges reifer und älter, als ihr Alter von 12 Jahren zunächst vermuten lässt. Woraufhin ich allerdings auch selbst überlegt habe, weshalb ich der Einschätzung war, ein Kind in ihrem Alter könne nicht über diese Reife und Offenheit verfügen, welche ich im Verlauf der Geschichte zurücknehmen und reflektieren musste. Ich denke tatsächlich, dass der Autorin Sarah Weeks in „Aurora und die Sache mit dem Glück“ eine erfrischende Darstellung kindlicher bzw. jugendlicher Reife und Tiefe gelungen ist, welche leider in vielen Werken nicht deutlich wird, was wiederum jungen LeserInnen die Möglichkeit zur verstärkten Identifikation mit der Protagonistin ermöglichen kann und einer erwachsenen Leserschaft neue Blickwinkel auf kindliche Wahrnehmung eröffnet.

Aufgrund der geschilderten Charaktereigenschaften aber vor allem aufgrund ihrer repetitiven Ticks wird auch ein anfänglich von ihren Eltern vermutetes Asperger-Syndrom von Psychologen im Verlaufe der Handlung für unwahrscheinlich befunden, sie sei zwar sonderbar, aber nicht autistisch. „Sie ist, wer sie ist.“ (S.35) – eine wichtige Botschaft für alle Leserinnen und Leser, denn dieses Buch macht es immer wieder deutlich: anders zu sein heißt nicht, in irgendeiner Weise „schlechter“ oder weniger wert zu sein, sondern eher inspirierend und liebenswert.

Doch natürlich läuft bei Aurora nicht alles rund, Mobbing in der Schule und der Wunsch nach Zugehörigkeit bedrücken sie zunehmend, die Liebe ihrer Mutter zu einem ehemaligen Pflegekind, welches mittlerweile erwachsen ist und zu Besuch kommen soll, stimmt sie eifersüchtig. Und als es dann noch zu einem Brand in ihrem Familienhaus kommt, bei dem ihr Hund panisch verschwindet, wird sie völlig aus der Bahn geworfen. Wir begleiten die Protagonistin durch emotionale Hochs und Tiefs und erleben, wie Aurora es schafft, trotz all dieser Rückschläge den Mut und die Hoffnung nicht zu verlieren, dass sie zum Schluss doch noch ihr Glück finden wird. Traurigkeit, Beklemmung, Sorge, Wut, Unverständnis, Hoffnung, Freude – durch die wortgewandte Protagonistin fühlen wir als Leserschaft mit. Und auch in diesem Emotionswirrwarr wird eine wichtige Botschaft vermittelt: Gefühle müssen ausgesprochen und rausgelassen werden, denn „[…] wenn du es nicht ans Tageslicht bringst, wird es Wurzeln schlagen und in dir wachsen wie Unkraut.“ (S.121)
Auch an dieser Stelle mag der sehr bildlich gehaltene Vergleich jungen LeserInnen dazu verhelfen, sich in Auroras Situation hinein zu fühlen und mit eigenen Gefühlen und Erfahrungen in Verbindung zu setzten.
Aurora gelingt es, ihre Emotionen schließlich zuzulassen und zu verarbeiten und wer weiß, vielleicht kommt es zum Schluss doch noch zu einem Wiedersehen mit einem verloren geglaubten Freund? Ob das das Glück ist, nach welchem sie immer auf der Suche war? Vielleicht. Aber entgegen ihrer anfänglichen Feststellung, welche sie schlussendlich revidieren muss, hat nicht alles einen Namen. Oder vielleicht doch? Nennen wir es doch einfach Leben.

Fazit: Eine gelungene, sprachlich besonders bildlich ausgestaltete Geschichte über die Willkürlichkeit des Lebens, zwischenmenschliche Beziehungen, Emotionen und den Mut und die Selbstverständlichkeit, zu sich zu stehen und dies auch nach außen zu strahlen. Das Ganze begleitet von einer Protagonistin, in der die (junge) Leserschaft sich an der ein oder anderen Stelle wiedererkennen und reflektieren wird.

Anmerkung

Der Roman eignet sich zur Lektüre im Klassenverband (Thematik Mut, Freundschaft, Zugehörigkeit, Individualität) und regt zur weiteren Diskussion und reflexiven Auseinandersetzung an. Die Vielzahl an herausstechenden sprachlichen Mitteln eignen sich ebenfalls zur vertiefenden Besprechung.
Aber natürlich lässt sich "Aurora und die Sache mit dem Glück" auch im privaten Rahmen wunderbar lesen und besprechen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Hannah Marie Schützmann; Landesstelle: Schleswig-Holstein.
Veröffentlicht am 11.10.2022

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