Auf einem Schmalen Grat

Autor*in
Singer, Nicki
ISBN
978-3-423-70896-8
Übersetzer*in
Gutzschhahn, Uwe
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
191
Verlag
dtv
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2005
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,50 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Das Buch schildert die Geschichte eines jungen Mädchens, das sich aufgrund vielschichtiger Probleme in eine eigene Gedankenwelt flüchtet. Als sie sich das Leben nehmen will, wird sie von einem Jungen davon abgehalten und lernt die erste Liebe mit all ihren Problemen kennen.

Beurteilungstext

"Auf einem schmalen Grat" ist die überaus gelungene Darstellung jugendlicher Zerrissenheit im Bezug auf das Verhältnis zu den eigenen Eltern, zu dem "eigenen" Platz in der Klasse und im Freundeskreis und zu den eigenen Gefühlen. Im familiären Umfeld der Hauptfigur Tilly wird diese Zerrissenheit besonders in dem Verhältnis zu ihrer Mutter deutlich. Die Liebe zur Alkoholabhängigen Mutter, Verlust- und Verlassensängste, Träume von einer heilen Mutter-Tochter-Beziehung, Verachtung, Angst und Wut - den ganzen Strudel dieser oft widersprüchlichen Gefühle durchlebt Tilly Tag für Tag, Nacht für Nacht. Sie findet dabei keinen Halt bei der sie versorgenden, alle Probleme verdrängenden Großmutter und auch ihr "geschiedener" Vater findet neben seinen eigenen Problemen keinen Zugang zu Tilly, die sich immer weiter verschließt. Diese Verschlossenheit und das Gefühl des Ausgegrenztseins, des Nicht-Verstandenwerdens, der Ungeliebtheit verdichten sich zu einer Mauer aus Angst, vor der Selbstmord der einzige Ausweg zu sein scheint. Einen Menschen zu treffen im Moment höchster seelischer Not, gefangen genommen zu werden von zutiefst widersprüchlichen Gefühlen - dies geschieht Tilly mit Jan, der zweiten Hauptfigur des Buches. Jan, begehrt, einfühlsam, innerlich zurückgezogen - ein junger Mann auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, nach außen wohlsituiert, innerlich aber gespalten, hin- und hergerissen zwischen seiner Herkunft und der Liebe zu seiner Adoptivmutter, die er nicht annehmen zu können glaubt, ohne die eigene Mutter zu verraten. Es beginnt zwischen den beiden jungen Menschen eine Liebesbeziehung, die - wie alle Bereiche ihres Lebens - von Ängsten und Zweifeln geprägt ist, die aber auch von großer Hoffnung getragen wird. Nicky Singer hat all diese Gefühle so eindrücklich und einfühlsam, so nachvollziehbar geschildert - das ist Realität! So ist jugendliche Zerrissenheit greifbar, fühlbar - erlebbar! Hier wird nicht Mitleid geschürt - dieses Buch ist ein Playdoyer für Verständnis, für Einsicht in die junge Seele, für Nachsicht und Liebe. Nicht zudecken, nicht totschweigen - miteinander reden ist das Gebot der Stunde. Ehrlichkeit, Offenheit, das Eingeständnis der eigenen Schwächen und der Ängste auf Seiten der Eltern, deren Selbstzweifel und Enttäuschungen in und aus Beziehungen, die unerfüllten Erwartungen und Hoffnungen der Erwachsenen, die Selbsttäuschungen - all dies spüren Kinder, erst recht Jugendliche so viel früher und deutlicher, als sich manch' Erwachsener vorzustellen vermag. Nicky Singer hat Worte dafür gefunden, hat einen spannenden Handlungsstrang mit zum Ende überaus überraschender Wende entwickelt - dieses Buch nicht gelesen zu haben, wäre ein Verlust. Das Buch ist als Klassenlektüre ab 14 Jahre ebenso geeignet wie als "Erkenntnis"-Lektüre für Eltern, Erzieher und Lehrer. Die Jugendlichen selbst werden sich in dem Buch wieder finden, oft wird es wie ein Blick in den Spiegel, in die eigene Seele sein - schauen wir genau hin!
Erwachsenwerden ist oft ein dorniger Weg - nehmen wir dieses Buch als Blüte, an der es sich nicht nur zu schnuppern lohnt - dies ist Lesestoff, der süchtig macht!

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Diese Rezension wurde verfasst von Hut.
Veröffentlicht am 01.01.2010