Applaus

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Seltsamer könnte die Szenerie kaum sein: Ein Mann im feinen Frack kommt im Wald daher, in einer Hand hält er einen dünnen Stab. Er sucht sich einen Baum aus und besteigt ihn. Oben, auf der Krone angekommen erhebt er seinen Stab und...

Beurteilungstext

... mit dem ersten Schwung des Dirigentenstocks - denn darum handelt es sich hier offensichtlich - löst sich ein erstes Blatt aus der Baumkrone. Diesem folgen schnell andere, und im Baum bleiben Leerstellen zurück. So geht schließlich das gesamte Laub des Baumes, und nach ihm das der Nachbarbäume auf die Reise. Die kunstvollen Blätterformen sind feingliedrig und detailreich, und sie gleichen sich je nach Baumart. In der Luft entsteht nun ein Wirbel und Tanz an Blättern, die nicht einfach nur zu Boden fallen, sondern in der Luft die schönsten Formen und Muster bilden; in immer wieder neuen Varianten, bis schließlich der Dirigent und die leeren Bäume übrig bleiben. Der verbeugt sich, steigt vom Baum und pflanzt seinen Dirigentenstock ein. Während dieser sich nun auch in einen Baum verwandelt, finden sich die entflogenen Blätter wieder ein. So ist am Ende wieder alles beim Alten.
Ganz ohne Text zeigt Laetitia Deverney in diesem seltsamen Bilderbuch eine Szene, die in extremem Maße surreal wirkt. Der sprichwörtliche Tanz der Blätter, eigentlich jahreszeitlich bedingt und durch den Wind umgesetzt, findet hier seinen Anlass durch den Dirigenten der Blätter, der in menschlicher Form auftritt. Was in der Natur oft chaotisch und beliebig wirkt, wird damit strukturiert und auch optisch organisiert. Die schablonenhaft wirkenden Zeichnungen - zumeist bestehend aus feinen Linien, die mit einfachen Farben koloriert wurden - unterstreichen die filigrane Szenerie und den artifiziellen Charakter des Ereignisses. So entsteht ein Fest für die Augen, weil die Blätter nun nach den strickten Regeln einer Choreographie zu tanzen scheinen. Da verdient der Dirigent sicherlich den Applaus, der ihm im Titel bereits angekündigt wurde, und der im Buch - wenn auch unhörbar - auch aufzubranden scheint, als die Verbeugung nach der gelungenen Aufführung folgt. Die hochformatig gestreckten Bilder des auch materiell hochwertig aufgemachten Buches sind als Leporellobilder miteinander verbunden. So kann - wer nicht Blättern will - das Buch zu einer 9,20 m langen Szene entfalten. Ein beeindruckendes Werk, Bilderbuchfreunden unbedingt zu empfehlen!