Anni

Autor*in
Newmann, John
ISBN
978-3-596-85436-3
Übersetzer*in
Braun, Anne
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Herold, Heike
Seitenanzahl
237
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
Frankfurt
Jahr
2011
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Seit 149 Tagen ist Annis Mutter tot. Seit 149 Tagen hat sich in Annis Leben vieles verändert: Ihre Schwester Sally wird zum "Gruftie" und schreibt lieber Tagebuch, anstatt mit Anni zu reden; ihr Bruder Conor verbringt den Großteil der Zeit in seinem Zimmer und spielt Schlagzeug; ihr Vater trauert den ganzen Tag auf der Couch und vernachlässigt dabei seine Pflichten. Daher verbringt Anni viel Zeit bei ihren Tanten und Großeltern, die versuchen, die Trauer und Probleme in der Familie aufzufangen.

Beurteilungstext

Der Roman ist in zwei Abschnitte gegliedert und ähnelt aufgrund der Kapitelüberschriften einem Tagebuchroman. Während der erste Teil deutlich größer ist und beispielsweise mit den Worten "Montag - 149 Tage, seit Mami tot ist" beginnt, ist der zweite Teil nur sehr kurz und erzählt von Annis Leben sechs Monate später. Im zweiten Teil tragen die Kapitel Überschriften wie bespielweise "Donnerstag, den 22. September - noch 2 Tage".
Zu Beginn des Romans erzählt Anni von den Veränderungen, seit ihre Mutter bei einem tragischen Fahrradunfall ums Leben gekommen ist. Anni entwickelt ein sehr feines Gespür für ihre Umwelt und so bemerkt sie, dass viele Personen in ihrem Umfeld Rücksicht auf sie nehmen. Ihr entgeht ebenfalls nicht, dass die Familienmitglieder selten miteinander reden und ihre Trauer unterschiedlich verarbeiten. Auch ihre Schwester Sally redet kaum noch mit Anni. Jedoch hat das junge Mädchen einen Weg gefunden, um Sallys Gefühle und Handlungen besser verstehen zu können: Sie liest heimlich das Tagebuch ihrer großen Schwester. Dieses Geheimnis kommt Anni zur Hilfe, als Sally plötzlich verschwindet und sich alle große Sorgen machen.
Der zweite Teil des Buches zeigt, wie es den Verwandten nach sechs Monaten gelingt, die Probleme und die Traurigkeit allmählich aufzufangen und wieder Freude und Leben in die Familie zu bringen. Als Annis Tante Heiratspläne schmiedet, überträgt sich die Vorfreude auf die Familie und es kehrt langsam wieder eine gewisse Normalität zurück.
Der tagebuchartige Roman ist in der Ich-Perspektive verfasst, sodass sich der Leser in Annis Gefühle hineinversetzen und ihre Sichtweisen nachvollziehen kann. Der Titel "Anni" ist an dieser Stelle sehr einfach, aber passend gewählt, denn in der Fokus wird auf die kleine Anni und ihre Wahrnehmung der Dinge gelegt. Sie versteht zwar nicht immer alles, was um sie herum passiert, entwickelt jedoch ein starkes Gespür für ihre Umwelt. Nicht nur durch die Wahl der Perspektive, sondern auch mithilfe der einfachen, teilweise fast umgangssprachlichen Sprache schafft es Newman, den Leser durch Annis kindliche, naive Augen blicken zu lassen. Ihre Naivität spiegelt sich in ihrer sehr leichten, dennoch feinfühligen Sichtweise wider und wird ebenso in der Darstellung ihrer Gefühle deutlich. Sie verwendet häufig einfache Sätze wie "Ich hasse…" oder "Ich liebe…", um ihre Empfindungen zu beschreiben. Newman gelingt es mit einem rührenden Beispiel Annis Lage zu verdeutlichen.
Sie ist noch ein kleines Mädchen, das nicht so recht weiß, ob es erwachsen werden möchte. Noch bevor ihre Mutter starb, war Anni nach eigenen Beschreibungen zu groß für ihr Kuscheltier Socky geworden, sodass sich das Kuscheltier verstaubt unter ihrem Bett befand. Doch seit dem Tod ihrer Mutter hat sich das verändert. Anni fühlt sich nicht mehr zu alt für Socky, bei dem sie nun Halt und Trost findet. Auch die Phantasierollenspiele mit ihrer Cousine Emma zeigen sehr deutlich, dass Anni noch ein Kind ist und sein möchte.
Der Roman erzählt eine bewegende Geschichte über einen tragischen Schicksalsschlag, den ein junges Mädchen und ihre Familie erleiden müssen. Newman beschreibt dabei sehr authentisch, wie es in der Familie nach dem Tod der Mutter zugeht und wie die einzelnen Familienmitglieder die Trauer verarbeiten. Das Buch bietet dem Leser dennoch Hoffnung: Während Anni zu Beginn des Romans noch die Tage zählt, seit ihre Mutter verstorben ist, lässt ihre Zählung im Verlaufe der Zeit nach. Mit liebevoller Hilfe ihrer Verwandten kann die Familie die schwere Krise zunehmend meistern und findet wieder in ein geordnetes, "normales" Leben zurück.
Neben dem sensiblen Thema Tod und Trauerverarbeitung spricht Newman ein weiteres, sehr aktuelles Thema an: Mobbing. Anni wird in der Schule von einigen Mädchen diskriminiert und geärgert. Sie nennen Anni "Stinky-Schlitzauge", "Heulsuse" und machen sich über ihre tote Mutter lustig. Doch während Anni zunächst Angst vor ihren Peinigerinnen hat und diese Schikane über sich ergehen lässt, schafft sie es, am Ende des Buches all ihren Mut zusammenzunehmen und sich dagegen zu wehren. Annis beste Freundin Orla steht ihr nicht nur während der unangenehmen Situationen auf dem Schulhof zur Seite, sondern sie versucht auch, Anni mit ihren Witzen aufzuheitern. Orla ist immer für Anni da und bildet somit neben der Verwandtschaft eine wichtige Konstante in ihrem Leben.
Das Buch weckt im Leser viele Emotionen, die stark zwischen Mitgefühl, Trauer, Rührung und Freude schwanken. Ein außergewöhnlicher Blickwinkel, der diesen Roman zu einem besonderen Leseerlebnis werden lässt.

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Diese Rezension wurde verfasst von lz.
Veröffentlicht am 01.01.2010