Andersens Wintermärchen

Autor*in
Esterl, Arnica
ISBN
978-3-480-23291-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Archipowa, Anastassija
Seitenanzahl
87
Verlag
Esslinger
Gattung
Märchen/Fabel/Sage
Ort
Esslingen
Jahr
2016
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In der Anthologie sind vier "Wintermärchen" des dänischen Dichters zusammengefasst. "Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen" erfriert auf der Straße, als es Streichhölzer zu verkaufen versucht. "Der Tannenbaum" kann nicht glücklich sein, weil er nur sieht, was er nicht hat. "Der Engel" bringt ein verstorbenes Kind zu Gott, nachdem sie Blumen an geliebten Orten seines Lebens gesammelt haben. "Die Schneekönigin" entführt einen Jungen, der infolgedessen von seiner Spielkameradin gesucht wird.

Beurteilungstext

"Andersens Wintermärchen" gehören zu der Reihe "Die schönsten Märchenklassiker", die bei Esslinger erschienen ist. Es ist ein großformatiges Märchenbilderbuch, das allein schon wegen seines ansprechend gestalteten Covers ein Blickfang ist. Dieses zeigt eine Szene aus dem Märchen "Die Schneekönigin". Der Junge Kay sitzt neben der Schneekönigin in deren Kutsche, die über eine winterliche Flusslandschaft hinwegfliegt. Die Königin erscheint in ihrem imposanten weißen Pelzmantel und im Vergleich zu dem kleinen Jungen an ihrer Seite übermenschlich machtvoll. Ihr Gesicht ähnelt dem einer antiken Skulptur, selbst die Augen sind vollkommen weiß, wirken kalt wie schön und furchterregend zugleich. Mit silbernem Glitzer sind einige Details hervorgehoben und unterstreichen die märchenhafte Szenerie. Äußerlich wird das Buch durch seinen blauen Leinenrücken und ein Lesebändchen zusätzlich aufgewertet.
Die russische Künstlerin Anastassija Archipowa illustriert die Märchen ganz klassisch in einem romantisch anmutenden Stil. Es ist ihren Bildern anzumerken, dass sie eine Vorliebe für das Genre hat und es versteht, märchenhafte Atmosphäre zu vermitteln. Sie entführt den (kindlichen) Betrachter in die längst vergangene Zeit und an die verwunschenen Orte in Andersens Geschichten, die ihm allein durch die Worte des Dichters nicht erschlossen würden. Außerdem versteht es Archipowa, die Identifikation mit Andersens Protagonisten zu fördern, indem sie deren Gefühlswelt sichtbar werden lässt. Winzig und verloren erscheint das Mädchen mit den Schwefelhölzern auf dem Bild einer verschneiten Straßenszene (8f.). Bis auf das Mädchen, das allein an einer Straßenecke steht, sind alle Personen in warme Kleidung gehüllt und streben durch den Schneesturm einem Ziel entgegen. Durch die hell erleuchteten Fenster sind heimelige, weihnachtlich dekorierte Zimmer zu sehen und unterstreichen die Einsamkeit und die Kälte, welche das Mädchen empfinden muss.
Auch in den Bildern zu "Der Tannenbaum" arbeitet die Illustratorin mit starken Kontrasten, um die Botschaft des Märchens verständlich zu machen. Entsprechend der Etappen des Märchens ist der Tannenbaum als feiner, hellgrüner Sprößling (29), dann als mächtiger Baum inmitten eines zauberhaften Winterwaldes (36f.) und im Weiteren als prachtvoll geschmückter Weihnachtsbaum (40) zu sehen. Die letzten Bilder zeigen ihn braungrün zwischen anderen ausrangierten Gegenständen in einer Dachkammer (48f.) und schließlich nadellos, als bloßes Gerippe, aber noch immer mit dem schönen Goldpapierstern an der Spitze (52). Die Bilder sind auch aufgrund ihres Formates wirkstark. Sie füllen häufig eine ganze, nicht selten sogar eine Doppelseite.
Der Vorleser der Wintermärchen muss sich bewusst sein, dass er seine Zuhörer mit "schweren" Themen konfrontiert: Das Mädchen mit den Schwefelhölzern ist bitterarm, erwartet von ihrem Vater Schläge als Strafe und erfriert am Ende - auch wenn sie ihren Tod als Wiedersehen mit der geliebten Großmutter erlebt. Ebenso spielen in dem Märchen "Der Engel" Tod und Leid von Kindern in Form von Armut und Krankheit eine Rolle, wenngleich ihre glückselige Himmelfahrt im Zentrum des Märchens steht. Auf ihrer Suche nach Kay in "Die Schneekönigin" schlagen Räuber Gerdas Kutscher und Diener tot und sie selbst steht in Gefahr, von der Räubermutter geschlachtet zu werden (72ff). Es obliegt dem Vorleser mit Blick auf seine Zuhörer und deren Alter zu entscheiden, wie er diese Aspekte der Geschichten ggf. durch zusätzliche Erläuterungen, dem Weglassen bestimmter Details sowie einer offenen und fördernden Haltung gegenüber Nachfragen zugänglich macht. Archipowa nimmt einen Teil der Schwere, indem sie zum Beispiel das Wiedersehen zwischen dem Mädchen mit den Schwefelhölzchen und seiner Großmutter als freudiges Ereignis betont. Vor einer frühlingshaften, idyllischen Landschaft hält die Großmutter das Kind fest im Arm, welches sich beglückt an sie schmiegt (22f.). Diese Geborgenheit kommt auch in der Darstellung des kraftvollen Engels zum Ausdruck, der das tote Kind auf seinen Flug in den Himmel zart und sicher bei sich trägt (53). Szenen wie das Zersägen und Verbrennen des Tannenbaumes oder der Überfall der Räuber in "Die Schneekönigin" werden nicht dargestellt.
Arnica Esterl hat Andersens Märchen kindgerecht nacherzählt und zugleich so belassen, ohne der Sprache das Märchenhafte zu nehmen. Die Sätze sind relativ kurz. Bei Nebensätzen handelt es sich oft um Aufzählungen. Nicht mehr gebräuchliches oder unbekanntes Vokabular lässt sich größtenteils durch den Zusammenhang, die Illustrationen oder kurze Erklärungen erschließen (Schwefelhölzchen, Stube, Livree, Zuckerwerk, Flittergold, Kehricht, salutieren, Herz aus Eis, reines Herz, Lappland, Finnmark). Da Hans Christian Andersen auf der letzten Seite des Buches (87) beim Herstellen von Scherenschnitten zu sehen ist, wäre es wünschenswert gewesen, diese weitere Leidenschaft des Schriftstellers in der Autoreninformation (86) kurz zu erwähnen.
Fazit: Durch die adressatenbezogene Sprache und die inhaltsvollen Bilder Archipowas ist Andersens Wintermärchen eine empfehlenswerte Vorleselektüre in der Winter-, Advents- und Weihnachtszeit, die eine Offenheit für "schwere" Themen voraussetzt, aber auch bewusst genutzt werden kann, um diese gemeinsam zu bearbeiten.

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Diese Rezension wurde verfasst von .
Veröffentlicht am 01.01.2017

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