Alles Liebe, deine Lise

Autor*in
Aken, Brigitte van
ISBN
978-3-944572-13-0
Übersetzer*in
Erdmann, Birgit
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
247
Verlag
Mixtvision
Gattung
Ort
München
Jahr
2014
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Nach der Abtreibung kommt Lise, 15, ins Internat. Sie ist nicht ganz freiwillig dort und teilt dies ihrer Großmutter in langen eMails mit, die ihr ebenso antwortet. Sie hat vor sechzig Jahren eine ähnliche Geschichte durchgemacht. Sie kam mit drei Jahren in ein Kloster und konnte später nur fliehen. Lise kann selbst wählen, aber die Widerstände gegen sie sind erdrückend groß. Heute aber kann sie mit allen, fast allen, darüber reden, für die Oma war das noch nicht möglich.

Beurteilungstext

Zwei ausgesprochen sympathische Frauen erzählen in ihren eMails, die noch richtige Briefe sind, aus ihrem Leben. Die Oma kam als kleines Kind in ein Kloster und war hilflos der Lust feindlichen Welt der Nonnen ausgeliefert. Mit 16 lernt sie einen Bäckerjungen kennen und lieben, wird von ihm schwanger und flieht nach mehreren dramatischen Fehlschlägen aus der Klosterwelt. Der Junge verschwindet. Aber er bleibt ihre große, unerfüllte Liebe bis zu ihrem Tode. Sie hat nie darüber gesprochen, erst der Versuch ihrer Enkelin, sie um Rat und Hilfe zu bitten, verleiht ihr die Kraft dazu. Anders als die Oma ist die Enkelin durchaus in der Lage, den Kindsvater herauszufordern, nur muss sie erkennen, dass nicht er der Verweigerer ist, sondern dessen Mutter, die sowohl die Abtreibung für eine Todsünde hält als auch Lisa für verkommen und eine Gefahr für ihren Sohn. Nishan ist zu ängstlich, um sich gleich gegen die Mutter zu stellen. Erst das gemeinsame Vorgehen von Oma und Enkelin bringen ihn zu der Erkenntnis: ""Meine Mutter ist meine Mutter. Aber sie bestimmt nicht mein Leben."" Eine solche Einsicht zu erreichen, war für die Oma vor sechzig Jahren noch nicht möglich. Aber auch sie hatte Glück und konnte außerhalb der Klostermauern ein anderes, ein glückliches Leben führen. Was innerhalb der Mauern mit ihr angestellt wurde, wie ihr ein schlechtes Gewissen eingeimpft wurde, gehört zu den Erziehungsmethoden der fundamentalistischen Christen, die mich nur noch zornig machen. Was wurde (und wird!) da an jungen Menschen verbogen; nur wenige haben das Glück, aus dieser verkniesterten moralinsauren Welt ausbrechen zu können.
Der Wechsel der sehr langen Briefe dominiert, aber Mutter und Tochter tauschen kurze SMS aus, die Mutter hat wenig Zeit in ihrem Managerleben, findet aber endlich einen auch Lisa sympathischen jungen Galeristen, der sogar ihre Fotos ausstellen will. Noch kürzere SMS tauscht sie in großen Zeitabständen mit Nishan aus - der ist einfach zu unsicher, zu ängstlich und versteht nicht so ganz, was die Abtreibung wirklich für Lisa bedeutet.
Am Ende des Büchleins stirbt die Großmutter, bezeichnenderweise stürzt sie in dem Augenblick, in dem sie glaubt, ihre nie vergessene Jugendliebe stünde vor der Haustür. Sie hat aber das Glück noch in die Hände ihrer Enkelin geben können. Die wird ihren Weg machen können.
Eine solche moderne Großmutter-Enkelin-Geschichte habe ich noch nicht gelesen. Sie ist anrührend geschrieben, macht zornig auf die Fundamentalisten jeder Couleur und zeigt, wie viel man erreichen kann, wenn man in der Lage ist, das auch zur Sprache zu bringen. Oder die ermutigt, das zu tun, die nicht so recht wissen, wie sie aus der Ecke der Verdammnis heraus kommen könnten. Da sind dann auch Tricks und Verführungen erlaubt, wie sie die beiden Frauen hier zeigen. Auf der Auswahlliste zum LesePeter. Cjh14.08

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010