Alles ist Dada. Emmy Ball-Hennings

Autor*in
Vinas, Fernando González
ISBN
978-3-96445-034-0
Übersetzer*in
Höchemer, André
Ori. Sprache
Spanisch
Illustrator*in
Marcos, José Lázaro
Seitenanzahl
232
Verlag
avant-verlag
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2020
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
25,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Emmy Ball-Hennings war die große Muse der Avantgarde in Berlin, München, Zürich und schließlich am Monte Veritá in der Schweiz, verheiratet mit Hugo Ball, einem der Begründer des Dadaismus. Aber dass diese Frau auch selbst Schriftstellerin war und nicht nur die Geliebte von… ist den meisten heute nicht bewusst.

Beurteilungstext

Ein richtiges Jugendbuch ist diese Graphic Novel nicht, viel zu unmoralisch ist seine Heldin: Lange Jahre finanzierte sie sich mit Prostitution und es fällt schwer, die berühmten Schriftsteller, Künstler, Revolutionäre herauszufinden, mit denen sie nicht geschlafen hat. Und Drogen hat sie auch noch genommen und nicht zu wenig. Daraus macht das Buch kein Hehl und nur ganz am Rande gibt wird das als Problem gesehen. Vielmehr scheint es so, als habe die avantgardistische Kunst oder Literatur nur funktioniert, weil es Morphium, Äther oder Ähnliches gab. Und sicher werden die meisten Jugendlichen mit der Masse der Namen auch nicht zuviel anzufangen wissen, die hier originalgetreu auftreten und mit denen Emmy Ball-Hennings selbstverständlich zu tun hatte.
Und doch ist das ein Buch für junge Leute – vielleicht erst ab 15 oder 16 Jahren, wenn man mit all den jugendgefährdenden und jugendüberfordernden Hindernissen umgehen kann, die oben geschildert sind. Denn Emmy Ball-Hennings ist eine Frau, die auch aktuell noch begeistern kann: Eine Frau, die um die Ökonomie der Liebe Bescheid wusste und sie einsetzte, um das eigene Überleben zu sichern. Ein kleines Persönchen mit einem so großen Charisma, dass ganze Theatersäle von ihren Kabarett-Auftritten fasziniert waren. Eine kreative Vertreterin der Anti-Bourgeoisie, die einen guten Riecher dafür hatte, mit wem sie sich gemein machen wollte und mit wem nicht. Eine Frau, die bis heute unterschätzt wird, weil sie so widersprüchlich war. Denn auf der einen Seite kommt sie mehrfach ins Gefängnis, weil sie die Regeln der Gesellschaft nicht einhalten möchte (z.B. bestiehlt eine Prostituierte nicht ihren Freier und Pässefälschen, um der Polizei zu entgehen, ist auch nicht akzeptiert). Auf der anderen Seite sind sie und ihr späterer Ehemann Ball auch vehemente Verfechter des Katholizismus, zu dem sie freiwillig und mit glühender Verehrung übertritt. Wie passt das zusammen? Hier geht das Buch nicht genügend in die Tiefe und auch ihr eigenes künstlerisches Schaffen wird eher gestreift, mit einem kurzen Zitat aus einem Gedicht oder dem bildnerischen Verweis auf ihre Schreibtätigkeit. Damit wird natürlich das Klischee der verkannten Muse nur noch einmal verstärkt: Emmys Bettgeschichten und ihre fast kindliche Naivität gehören zu dem Mythos, den sie selbst aufrechterhalten hat, der heute aber auch in Frage gestellt werden könnte zugunsten einer größeren Fokussierung der Eigenständigkeit einer Künstlerin.
Die Graphic Novel ist schon 2017 in spanischer Sprache entstanden und es ist der Hugo-Ball-Gesellschaft in Pirmasens zu verdanken, dass sie jetzt ins Deutsche übersetzt wurde. Denn im Jahr wurde die erste eigene Ausstellung zu Emmy Ball-Hennings eröffnet und da entdeckten die Kuratoren das spanische Buch und fanden mit dem kleinen Avant-Verlag einen Partner für die deutsche Fassung. Zeichnerisch ganz in Schwarz-Weiß gehalten, werden das historische Setting und auch die zitierten Protagonisten sehr gut getroffen. Immer wieder zitiert Vinas auch aus der Kunst dieser Zeit, von Munch bis Marcel Janco und die offene, manchmal chaotische Gestaltung der Seiten entspricht dem, von dem erzählt wird, und vor allem wenn ihre Drogensucht aufgegriffen wird, wird es oft sehr düster. Kleine Fehler sind wohl beim Übersetzen eingetreten, so wird vom „Romanistischen Café“ in Berlin gesprochen und auch die Namen der Künstler sind nicht immer alle korrekt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 07.03.2020

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