Abseits - 1938. Ein Fußballer sagt Nein

Autor*in
ISBN
978-3-942787-15-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
40
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Berlin
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

An dem historisch belegten Fall des Kapitäns der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft, des ""Wunderteams"", wird das beklemmende Jahr vor dem 2. Weltkrieg deutlich. Trotz des Gerüchts, dass die deutsche Mannschaft (Trainer war übrigens Sepp Herberger) gewinnen ""soll"", ist es der herausragende Spieler der Österreicher, Sindelar, der das erste von zwei Toren schießt. Und dann verweigert er nach Spielende den Hitlergruß.

Beurteilungstext

""Heim ins Reich"" nannten die Nationalsozialisten die Eingliederung von Österreich, Teilen der Tschechoslowakei und Polens - und die Geschichte kennt noch eine ganze Reihe anderer Fälle, in denen ähnliches passierte. Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion wie des ehemaligen Jugoslawien gehört in diese Reihe, Hongkong und Goa, die Bestrebungen der Basken, Bretonen und Schotten, sich aus einem existenten Staatengebilde zu lösen, die ""Rückkehr"" der Halbinsel Krim aus der Ukraine in das russische Reich. Es werden nicht die letzten Fälle sein.
Der Junge Markus ist Österreicher, und die Annexion Österreichs im März 1938 steht unmittelbar bevor. Zunächst aber gibt es noch ein Fußball-Freundschaftsspiel Österreich - Deutschland, in dem Österreich mit seinem ""Wunderteam"" und dem begnadeten Fußballer Matthias Sindelar zu den Favoriten zählt. Sindelar, der wegen seines eher schmächtigen Körperbaus auch ""Der Papierene"" genannt wurde und der seit seiner Knieverletzung vor etlichen Jahren einen Verband um sein rechtes Knie trug, ist der Kapitän der Mannschaft. Alle Jungs lieben ihn und möchten sein wie er. Markus auch. Aber Markus' Vater will den Kapitän daran hindern, sich von den Nationalsozialisten vereinnahmen zu lassen. Dazu spricht er die Freundin Sindelars an, Camilla Castagnola, mit der der Fußballer später tot gefunden wird. Selbstmord ist nicht ausgeschlossen, denn Camilla ist nicht nur Italienerin, sie ist auch Jüdin. Die beiden sehen offensichtlich, dass ihre Lebensziele gar nicht mit denen der Nazis übereinstimmen.
Ein Sportler mit bereits für damalige Zeiten enormer Werbe-Attraktivität, Halb-Profi ist wohl noch untertrieben, und einer weiteren grandiosen Karriere-Prognose, finanziell in verschiedenen Projekten tätig, so ein Mensch verweigert sich einfach. Schießt ein Tor gegen Deutschland. Sorgt für rot-weiß-rote (= österreichische) Fußballkleidung, verweigert nach der Annexion das Spielen in der (nunmehr deutschen) Nationalmannschaft. Das Wort ""sich ins Abseits stellen"" hat kein besseres Beispiel.
Und doch hat er sich aus seiner Sicht auf die richtige Seite gestellt. Die mögen die anderen ""abseitig"" bezeichnen, er selbst hat wohl sein Schicksal vorweggenommen, denn wer eine Jüdin heiratet, ist selbst Jude. Und was mit denen geschah, wissen wir.

Das Buch hat aber nicht nur Text, es ist ein Bilderbuch. Auf der linken Seite steht die Schrift, die zum Teil mithilfe von Größe oder Fettdruck gestaltet ist. Auf der rechten sind ganzseitige Bilder, die man sich sehr gut gerahmt an der Wand vorstellen kann. Auch wenn der Duktus des Pinsels eher grob ist, so sind doch viele Feinheiten herausgearbeitet, werden einzelne Haare erkennbar, Lichtflecken auf den Gesichtern oder im hölzernen Esslöffel, kleine Schäbigkeiten im ärmlichen Zuhause von Markus. Quarello nimmt das Flair und Einzelheiten aus der Zeit um 1938 auf, von Teilen des Schriftzugs ""Grand Cafe"" über die ""Schiebermütze"" und den ""Knickerbockern"" bis zur Hupe auf der Stoßstange des Autos. Die Gesichter der Menschen formt er nach ihren Charaktereigenschaften, die nationalsozialistischen Soldaten und die Schiedsrichter des Spiels streng und ohne Lächeln, der Begriff ""martialisch"" fällt dazu ein.
Merkwürdigerweise allerdings ist das Gesicht des Jungen, aus dessen Sicht erzählt wird, nicht sonderlich sympathisch. Es bleibt wohl noch zumeist leer, muss erst noch erleben und gestalten, um Charakter zu erhalten.
Nach dem ""Bus der Rosa Parks"" hat Quarello wieder eine Meisterleistung zu einem wichtigen historischen Moment geliefert.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010