33 Bogen und ein Teehaus

Autor*in
Esfahani, Zaeri-
ISBN
978-3-7795-0522-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Zaeri- Esfahani, Mehrdad
Seitenanzahl
150
Verlag
Peter Hammer Verlag
Gattung
Ort
Wuppertal
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mehrnousch wächst behütet und glücklich im Iran auf und erlebt die Machtübernahme von Ayatollah Chomeini als spannendes Abenteuer, das ihre Eltern mit Freude erwarten. Doch das Leben entwickelt sich unter Chomeini zu einem Albtraum: Als die Gefahr für Mehrnouschs 14- jährigen Bruder in den Krieg geschickt zu werden immer größer wird, entscheiden ihre Eltern, den Iran zu verlassen und über die Türkei nach Ostberlin und schließlich in die BRD zu fliehen.

Beurteilungstext

Die Erzählung "33 Bogen und ein Teehaus" beginnt in einer träumerischen Stadt im Iran der 1970er Jahre. Mehrnousch ist noch ein kleines Mädchen. Sie wächst privilegiert in einer wohlhabenden Familie auf. Ihre Mutter kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, ihr Vater ist ein gut verdienender und angesehener Chirurg. Doch der Iran ist im Umbruch. Die Menschen sind unzufrieden mit der herrschenden Schahfamilie und es kommt nach vielen Demonstration und Protesten zu einem Sturz der Herrscher. An die Macht kommt Ayatollah Chomeini, der die Hoffnung auf ein besseres Leben der Menschen nährt. Doch nach der Machtübernahme kommt alles anders: die Grundfreiheiten der Menschen werden beschränkt, die Rechte und Bewegungsfreiheiten der Frauen quasi abgeschafft, die Jugend wird massiv kontrolliert und der Iran in einen langen Krieg mit dem Irak geführt. Gleichzeitig beginnt eine Zeit der Verklärung und Verherrlichung des Krieges. Viele junge Männer, teilweise sogar noch Kinder, verlieren ihr Leben in den Kämpfen. Immer mehr Menschen entschließen sich, den Iran über die Türkei zu verlassen. So auch die Familie Zaeri- Esfahani. Mehrnouschs Bruder ist inzwischen 14 Jahre alt und die Gefahr wird immer größer, dass auch er in den Krieg geschickt wird. Immer trauriger wird er und mit ihm seine Eltern. Mehrnousch liebt ihren Bruder über alles und als er, nach dem Entschluss der Familie zu fliehen, wieder fröhlicher wirkt, empfindet auch die junge Mehrnousch die Flucht als gutes Ereignis. Angekommen in der Türkei fristet die Familie vorerst ein ödes Leben. Mehrnouschs Vater darf erst nach langer Zeit in einer Klinik arbeiten, die Kinder dürfen nicht in die Schule. Dennoch lebt sich Mehrnousch gut in ihre neue Heimat ein, lernt Türkisch und ist sehr enttäuscht, als ihre Eltern beschließen, die Türkei Richtung Ostberlin zu verlassen. Einem Gerücht nach ist es möglich, sich für die DDR Kurzzeitvisa ausstellen zu lassen, um dann von der DDR aus in die BRD abgeschoben zu werden. Mehrnouschs Eltern ist es tatsächlich möglich, Flugtickets für die ganze Familie und die passenden Visa zu besorgen und die Familie reißt nach Ostberlin aus. Dort angekommen werden sie wie geplant direkt in die BRD abgeschoben. Nun passiert etwas sehr merkwürdiges: Westberlin ist wie ausgestorben! Kein Mensch auf der Straße, niemand der irgendwie helfen könnte. Die Familie zieht vorerst in ein Hotel und kontaktiert Mehrnouschs Cousins, die bereits einige Zeit zuvor nach Deutschland geflohen waren. Diese holen die Familie aus dem Hotel ab und nehmen Sie erst einmal in ihrer Flüchtlingsunterkunft auf. Nun erfahren alle, dass gerade Weihnachten ist, die Menschen feiern und ein Stellen der Asylanträge momentan nicht möglich ist. Das erfolgt etwas später und eine Odyssee durch verschiedene Flüchtlingsunterkünfte beginnt. Oft werden die Eltern, manchmal auch die Kinder erniedrigt, arbeiten darf der Vater nicht und erneut macht sich Verzweiflung unter den frisch in Deutschland angekommenen breit. Erst nachdem die Familie in Heidelberg endlich eine eigene Wohnung beziehen kann, wird die Stimmung hoffnungsvoller. Die Kinder kommen an eine staatliche Schule. Anfänglich ist auch das wieder sehr schwer, denn die Kinder sprechen kein Deutsch. Dennoch findet Mehrnousch eine Freundin, mit der sie sich zu Beginn türkisch verständigen kann. Ein neuer Abschnitt beginnt für Mehrnousch und ihre Familie und endlich können Sie damit beginnen, sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen.
Diese autobiographische Erzählung ist sehr spannend, eindrucksvoll und in sehr poetischer Sprache verfasst. Die Vorstellung, die eigene Heimat, alle Freunde, die Familie und das gewohnte Umfeld zu verlassen, ist für mich völlig fremd und schwer nachvollziehbar. In die Geschichte der Flucht der Familie Zaeri- Esfahani eintauchen zu dürfen war beeindruckend und etwas erstickend zugleich. Die Ängste der Eltern um ihre Kinder, die Notwendigkeit, sich immer wieder umzustellen, neue Sprachen zu lernen und sich immer wieder auf neue Menschen und Gewohnheiten einzustellen, ist eine außergewöhnliche Leistung aller Flüchtlinge. Dieses Buch macht dies in seiner beachtlichen Erzählung deutlich und zollt Flucht und damit den geflohenen Menschen hohen Respekt.
Neben seiner sprachlichen Umsetzung beeindruckt dieses Buch auch durch sein schönes, aber schlichtes Design. Der Bucheinband ist in matten, fast unscheinbaren hellblau gehalten, der Titel präsentiert sich in schwarzen, weißen und orangeroten Buchstaben. Jedes Kapitel wird durch schlichte, aber sehr kunstvolle Illustrationen geschmückt.
Dieses Buch ist eine sehr zu empfehlende Erzählung zum Thema Flucht und Vertreibung. Sie ist spannend, anspruchsvoll, nicht traumatisierend und sehr gut zu Lesen geschrieben. Daher kann dieses Buch auch schon von Jugendlichen gelesen und verstanden werden. Es ist ein sehr gut gelungenes Buch, dass die Herzen öffnen kann für mehr Verständnis Menschen gegenüber, die zur Flucht gezwungen werden. Menschen gegenüber, die alles zurück lassen mussten und sich hier in Deutschland neu einleben müssen. Ich persönlich bin der Autorin dankbar, dass sie ihre Leser teilhaben lässt, an ihrer ganz privaten Geschichte, ihrer Flucht. Dass sie ihre Gedanken und Gefühle teilt und hoffentlich dazu beiträgt, dass es mehr Miteinander und Herzlichkeit unter Menschen verschiedener Herkunft geben kann.

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Veröffentlicht am 26.06.2016