1914 - Ein Maler zieht in den Krieg

Autor*in
Osterroth, Reinhard
ISBN
978-3-8489-0078-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kleist, Reinhard
Seitenanzahl
96
Verlag
Aladin
Gattung
BiografieSachliteratur
Ort
Hamburg
Jahr
2014
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
19,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

""Ich denke oft, wie ich als Bub und Jüngling trauerte, keine große weltgeschichtliche Epoche zu erleben - nun ist sie da und fürchterlicher, als es sich irgendeiner träumen konnte"", schreibt ein Maler, der vor 100 Jahren in Europas ""Urkatastrophe"" des 20. Jahrhunderts zog. Vorgeschichte und Ablauf des Ersten Weltkrieges werden in knapper aber verständlicher Form dargestellt.

Beurteilungstext

Beispielhaft an Franz Marcs Leben wird dem Leiden im 1. Weltkrieg ein Gesicht verliehen. Freilich ist Marc kein Vertreter einer Bevölkerungsgruppe. Er ist Künstler und dennoch gibt sein Leben Einblicke in diese ""Urkatastrophe Europas"". Die Euphorie für den Krieg war groß. Davon berichtet der Prolog. Marc ""schwärmte von einem neuen, hellen Zeitalter Europas."" Bereits hier erklärt er der alten Ordnung den Krieg. Der Schwerpunkt des Buches ergibt sich im Echo der Maschinerie des Krieges bis in die Heimatfront. Der Text ist überschaubar und schlüssig. Es ist gelungen die privaten und künstlerischen Gedanken Marcs in den Zahnrädern des Krieges darzustellen, ohne sie herauszulösen. Der Maler wird über seine Bilder beschrieben. Das beginnt mit seinem Portrait als 15jährigen durch den Vater und endet mit der Wiederherstellung des beinah verbrannten Bildes ""Tierschicksale"" durch Paul Klee.
Die Kapitel sind in sich geschlossen. Der junge Leser kann zwischen den Kapiteln springen. Das Buch fordert dazu auf, beginnt der Prolog doch mitten im Krieg. Wollten andere Maler in das Antlitz des Krieges blicken, schreibt Marc: ""Ich verstopfe mein Ohr und suchte dem Kriegsgespenst in den Rücken zu sehen."" Er hat ein merkwürdiges, naives Gedankengebäude.
Wenn das Buch versucht, die vielen Gründe für den Krieg vor 1914 darzustellen, begeht es im Kanon vieler anderer Publikationen den Fehler, den Kriegsausbruch auf das Attentat von Sarajewo als Ursache reduzieren. Jüngere Forschungen zeigen, dass es nur einen Mechanismus ausgelöst hatte, der auf ein solches Ereignis gewartet hat. Ein für eine vom Ersten Weltkrieg weit entfernte Generation geschriebenes Buch sollte mit alten Geschichtsschreibungen brechen. Das macht das Buch in anderen Kapiteln sehr gut. So ist die Schuldfrage kein Thema mehr.
Begleitend finden sich Beschreibungen neuer Erfindungen des Krieges. Die 75-mm-Kanone auf französischer Seite, die 42er und 30,5cm Kaliber-Geschütze mit Betonfundament oder fahrbaren Konstruktionen, das Maschinengewehr und nicht zuletzt das Giftgas. Die bunten Uniformen wichen Stahlhelm, Gasmaske und Tarnuniform, Panzer, Flugzeuge und kilometerlange Gräben.
Der Autor schlussfolgert: Das moderne Schlachtfeld war einem Gemälde von Kandinsky gar nicht so unähnlich. Häuser, […], alles zerschossen, alles abstrakt, keine erkennbaren Gegenstände mehr.""
Die Geschichten neben den Ereignissen des Krieges geben dem Leser die Möglichkeit sich in den Maler hineinzuversetzen.
Reinhard Kleist, zeigt Blickwinkel und Bildkompostionen, die die Fotografie so nicht hat. Schon Marc sagt zu Lebzeiten ""…wenn überhaupt, müsste man den Krieg ganz anders malen…"".
Die Zeichnungen verdeutlichen den Kontrast zwischen Marc und anderen Malern. Der Krieg ist trist, grau und hat weite eintönige Flächen. Nur die Gleichgültigen können ihn überstehen. Marc schrieb noch zu Beginn: ""Ein reinigendes Gewitter […], das wird doch nicht lange dauern, oder?"" bis er erkennen muss ""In solcher Zeit wird jeder, er mag wollen oder nicht, in seine Nation zurückgerissen.""
Bereits vor dem Krieg spiegeln die tristen und eintönigen Flächen, die Einöde der alten Welt wider.
Im Kontrast dazu stehen die Bilder aus Marcs Privatleben. Sie sprießen vor bunten Tönen. In ihnen spürt der Betrachter das ersehnte Urvertrauen. Die Behaglichkeit der Heimat bleibt aber im Krieg nicht ohne Schatten, wie ein Loch aus dem Marc steigt, in das er zurück muss und nicht wieder kommt.
Neben einigen Werken von Marc und befreundeten Künstlern, arbeiten die Bilder mit Techniken der Zeit. Mal zeigt sich ein Himmel nach van Gogh, ein Graben als Kohlezeichnung oder Himmel und Erde mit dicken Pinselstrichen. Formen, erkennbare Landschaften und Gegenständliches zeigen sich nur in Bildern, die Marc privat oder in den Maschinen des Krieges darstellen. Die Städte an der Front sind nicht mehr als Ruinen. Der Krieg ist im Nirgendwo und macht alle Städte und Landschaften dazu.
Insgesamt sind die Szenen zu den Texten treffend gezeichnet. Sie ergänzen die Texte. Die Menschen, meist am Bildrand, fügen sich in die Umgebung. Sie werden ein namenloser Teil der Schauplätze.
12 Jahre und älter sollten die Kinder sein, denen man die Graphic Novel gibt. Direkte Schrecken werden auf kindlich verständlichem Grad gehalten. Ereignisse des Krieges werden erklärt, mit vorsichtiger Kritik der Entscheidungen des Zeitgeistes. Die Beurteilung wird dem Leser überlassen.
Was das Buch noch zeigt: ""Franz Marc hat den Ersten Weltkrieg überlebt - in seinen Bildern. […] Bis heute ist Franz Marc berühmt für seine Darstellungen von Tieren.""

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Diese Rezension wurde verfasst von BB.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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