zweiheimisch - Bikulturell leben in Deutschland

Autor*in
Spohn, Cornelia
ISBN
978-3-89684-063-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
194
Verlag
edition Körber-Stiftung
Gattung
Taschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2006
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

12 Porträts von jungen Leuten, die aus Migrantenfamilien oder/und bikulturellen Familien stammen, bieten ein differenziertes Bild von Stärke im Umgang mit der eigenen Sozialisation, dem Beruf oder Berufswunsch und der Familie.

Beurteilungstext

In einer Mischung aus Eigenaussage und Beschreibung durch eine der drei Journalistinnen, die die Interviews gemacht haben, entstehen lebendige Bilder der jungen Leute. Ihre Gedanken und Erinnerungen an die eigene Kindheit, das Verhältnis zur eigenen Familie, zur deutschen Umgebung und zu den Herkunftsländern der Eltern wird mitbestimmt durch die Entscheidungen oder Überlegungen zur Berufswahl.

Wie die Herausgeberin Cornelia Spohn, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes binationaler Familien in der Einführung betont, ist es vor allem das Gefühl der Stärke, das in diesen Interviews deutlich wird. Diese jungen Leute sehen ihre Herkunft aus verschiedenen Wurzeln als positive Kraft, die ihnen viele Möglichkeiten gibt. Oft wird auch das Leben in Deutschland als Chance betrachtet, die sie als Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern nicht gehabt hätten. Dabei wird nicht verschwiegen, welche Schwierigkeiten das Aufwachsen in einer fremdenfeindlichen Umwelt in Deutschland bieten konnte, aber die Interviews zeigen durchaus differenzierte Erfahrungen und Sichtweisen.
Von den 12 Interviewten zwischen 17 und 32 Jahren sind vier (noch) Schüler, drei befinden sich in der Ausbildung, vier üben ihren Beruf (Schauspieler, Baskettballtrainer, Kitaleiterin, Erziehungswissenschaftler) schon seit einigen Jahren aus. Manche sind in Deutschland geboren, andere haben Flucht- bzw. Auswanderungserfahrungen. Manche leben als “geduldete” Ausländer in Deutschland, andere sind Deutsche, aber werden aufgrund von Aussehen nicht als solche behandelt. Das reicht von der sich selbst als “halbschwarz” bezeichnenden Schülerin in Hamburg mit ghanaischem Musikervater und deutscher Mutter über den Sohn einer italienischen Gastarbeiterin und eines sauerländischen Kollegen, die eigentlich nur ihren katholischen Glauben gemeinsam zu haben schienen. Die Kindergartenleiterin im Badischen mit ihrer Herkunft als Russlanddeutsche kann ihre schöne Kindheit in Kasachstan mit einem Gefühl der Dankbarkeit und Freude über das Leben in Deutschland verbinden.

Jeder der jungen Menschen wird mit Fotos vorgestellt und der Text ändert sich auch im Schriftbild, wenn von der Eigenaussage zu Kommentaren des Interviewers übergegangen wird. Natürlich sind sie nur eine kleine Auswahl aus den 15,3 Millionen Menschen, die in Deutschland mit einem wie auch immer gearteten Migrationshintergrund leben.
Das Buch zeigt weniger einen Querschnitt von Migrantenschicksalen als die Tatsache unverwechselbarer individueller Lebensläufe von jungen Menschen, die ihre Herkunft und ihr Leben positiv verarbeiten.

Alle Beteiligten an diesem Buch haben in irgendeiner Weise Erfahrungen mit Migration oder Bikulturalität, von der Herausgeberin über die drei Journalisten Vito Avantario, Ferdos Forudastan und Mely Kiyak bis zu Tarek Badawia. Dieser hat ein anspruchsvolles Nachwort geschrieben, in dem er den Interviews eine analytische Komponente hinzufügt, die sicher nicht für jeden Jugendlichen verständlich, aber für erwachsene Leser in Schule und Wieterbildung sehr informativ ist.

Bikulturalität wird als Gewinn verstanden, die in der Metapher des “Dritten Stuhles” die Besonderheiten des Einwanderers mit verschiedenen Wurzeln aus der Sicht der Jugendlichen beschreibt. Diese kreative Identitätsbildung bei bikulturell aufwachsenden Jugendlichen zu unterstützen und nicht nur als Chance dieser Jugendlichen, sondern auch der Gesellschaft zu sehen, die vor der Notwendigkeit einer zunehmenden Mobilitäts steht, ist ein Anliegen dieses Buches, dem ich viel Verbreitung wünsche. Vielleicht könnten diese Porträts als Klassenlektüre in manchen Schulen eine positivere Sicht auch der Möglichkeiten einleiten, die mit der wachsenden Zahl bikultureller Schüler und Schülerinnen gegeben wird.

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Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010