Zwei von jedem

Autor*in
Lagercrantz, Rose
ISBN
978-3-89565-419-0
Übersetzer*in
Kutsch, Angelika
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Lagercrantz, Rebecka
Seitenanzahl
120
Verlag
Moritz
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Frankfurt
Jahr
2021
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Eli und Luli wachsen in den 30er Jahren in Siebenbürgen auf. Beide haben nur noch ein Elternteil und ein Geschwisterkind, gehen in dieselbe Klasse, rennen gern um die Wette und sind unzertrennlich. Sie teilen sich die Brote, helfen sich und machen sich Mut, wenn eins von ihnen krank wird. Als Luli dem Vater nach Amerika folgt, vermisst Eli seine Freundin schmerzlich. Jahre voller Leid und Verluste vergehen, bis sie sich wiedersehen. Denn Eli ist Jude, sein Weg führt ihn ins Konzentrationslager.

Beurteilungstext

Es sei immer besser „zwei von jedem“ zu haben, meint Elis Mutter, „damit niemand allein ist“. Und so backt sie zum Sabbat immer zwei Brote. In dieser Zeit ist Eli noch ein kleiner Junge und denkt, dass alles so bleibt, wie er es kennt. Der Junge wächst mit seinem größeren Bruder und der Mutter in einem Ort in Siebenbürgen auf, in dem es auch einiges paarweise gibt: zwei Flüsse, zwei große Straßen, zwei Friedhöfe - einen für die Christen und einen für die Juden. Und zwei ganz besondere, miteinander verbundene Kinder, die im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen: Eli und seine Freundin Luli.

„Aber es kam anders…“ und die Welt gerät aus den Fugen. Luli muss mit ihrer Schwester dem Vater nach Amerika folgen, sie verspricht ihrem Freund zu schreiben. Eli wartet vergeblich auf einen Brief, verbietet sich „überhaupt noch an Luli zu denken“ - und kann sie doch nicht vergessen. Als dann der Krieg näher kommt und die Soldaten in die Stadt ziehen, wird es „schlimmer und schlimmer“. Eli muss lernen, was das Wort Antisemitismus bedeutet. „Was dann kam, kann ich eigentlich nicht erzählen“, meint er und versucht es trotzdem. Erst kommen neue Gesetze und Verbote, dann die Umsiedlung ins Ghetto, der Transport nach Auschwitz. Dort sieht Eli zum letzten Mal seine Mutter und den alten Freund der Familie.

Sein Bruder und er gehören „zu denen, die weiterleben durften“. Eli und Adam überleben Auschwitz und kommen nach Bergen-Belsen, dort werden sie befreit - schwer krank und gezeichnet von ihren Erlebnissen. Die beiden jungen Männer wagen einen Neuanfang in Schweden, finden dort Arbeit, Adam verliebt sich in ein schwedisches Mädchen. Und dann erreicht Eli – vermittelt durch das Rote Kreuz – ein Brief von Luli und ihre Einladung nach Amerika.

Lange dauert es, bis er das Geld für die Überfahrt zusammengespart hat. Dort beginnt nun für ihn ein neues Leben mit Luli. „In meinem Leben gibt es zwei von jedem. Ein Leben vor dem Krieg und ein neues Leben danach mit Luli und den Kindern.“ Eli hofft, dass er die Erinnerungen zurückdrängen kann, wenn er über die vergangenen Jahre schweigt, doch die Albträume lassen ihn nicht los. Da Eli es trotz der vielen Fragen seiner Kinder nicht schafft von seinen Erlebnissen zu erzählen, überzeugt Luli ihn darüber zu schreiben: „Wovon man nicht sprechen kann, das muss man aufschreiben!“

Wie kann man Kindern vom Krieg, vom Nationalsozialismus, von der Schoah erzählen? Die schwedische Autorin Rose Lagercrantz hat selbst eine Mutter, die Auschwitz überlebte. In ihrem ausführlichen Nachwort erzählt sie viel über den Umgang in ihrer Familie mit diesen Erlebnissen. Lagercrantz musste lernen, dass ihre Fragen nach der Vergangenheit in der Familie meist unbeantwortet blieben; zu schwer fiel es den wenigen Verwandten, die noch am Leben waren, darüber zu sprechen. Erst als Erwachsene hat sie deren Geschichten erfahren. In ihrem Nachwort, in dem man viel über die Autorin und ihre Motivation für dieses Buch erfährt, schreibt sie: „Es sind ihre Worte, die ich in dieser Erzählung benutzt habe… Wenn man noch Worte hat, kann man froh sein, denn in ihnen leben die Menschen stärker weiter als in etwas anderen.“

Rose Lagercrantz wollte in diesem Buch nicht nur über das Leid, sondern auch über Freundschaft, Liebe und den Zusammenhalt in der Familie schreiben. „Aber kann Liebe das Entsetzliche ausgleichen? Ich glaube es. Jedenfalls im Märchen. Und so wurde es (= dieses Buch) … ein Märchen.“

Die bekannte und mehrfach ausgezeichnete Autorin hat diese Erzählung für den schwedischen Rundfunk verfasst. Der (anschließend erweiterte) Text wurde 2020 anlässlich des Gedenkens an die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren im Radio gesendet. Ihre Tochter Rebecka ist Kinderärztin und Künstlerin und hat dieses Buch einfühlsam und ausdrucksstark illustriert. Auf jeder Doppelseite befindet sich mindestens ein kleines Aquarell. Figuren und Orte werden auf diese Weise vorstellbar, das Grauen in den Lagern jedoch wird nur angedeutet. Die Aussage der Bilder wird somit Kinder nicht überfordern.

Die kindgerechte Sprache, die große Schrift und die Einteilung in Kapitel, sowie die zahlreichen Bilder machen das Buch zu einer gut lesbaren Lektüre für Jungen und Mädchen ab neun Jahren. Mit diesem Thema sollte man Kinder dieses Alters jedoch nicht allein lassen. Das gemeinsame Lesen mit einem Erwachsenen oder im Klassenverband ist zu empfehlen, um sich im Gespräch über den Text, über eigene Empfindungen und Erfahrungen austauschen zu können.

Nicht nur Kindern ist Rose Lagercrantz‘ berührendes Buch sehr zu empfehlen, auch Jugendliche und Erwachsene können sich von Elis Geschichte fesseln und bewegen lassen und über Formen der Vergangenheitsbewältigung nachdenken.
Paul Maar meint: „Dieses Buch ist ein Rezept gegen den Antisemitismus – nicht nur für Kinder.“ Diese Wirkung möchte man dem Buch wünschen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von htd; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 28.11.2021

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