Zweet

Autor*in
Kaldhol, Marit
ISBN
978-3-95854-074-3
Übersetzer*in
Dörries, Maike
Ori. Sprache
Norwegisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
196
Verlag
Mixtvison
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2017
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Die Schule von Lill-Miriam, Susan und Ruben wird evakuiert. Was dies in den drei Jugendlichen, die so unterschiedlich und doch durch die jüngste Vergangenheit eng miteinander verbunden sind, auslöst, wird in „Zweet“ erzählt.

Beurteilungstext

„Zweet“ irritiert – das beginnt schon mit dem Titel, denn „zweet“ scheint weder im Deutschen noch im Norwegischen eine allgemeingültige Bedeutung zu haben (die Lektüre kann diese erste Irritation freilich auflösen).

Doch auch der Text selbst irritiert in hohem Maße. Da ist zunächst die experimentelle Erzählweise, die sicherlich manchen weniger versierten jugendlichen Leser überfordern wird. Jeweils im Stile eines inneren Monologs werden die unmittelbaren Reaktionen der drei Protagonisten auf die Evakuierung ihrer Schule präsentiert, wobei die Gedanken der drei Jugendlichen immer wieder übergangslos zwischen (längst) vergangenem und gegenwärtigem Geschehen wechseln. Die Passagen, in denen Lill-Miriam und Ruben erzählen, sind darüber hinaus in freier Versform geschrieben, was den Eindruck des spontanen Assoziierens noch verstärkt.

Die vergangene wie die gegenwärtige Handlung und das Schicksal der Protagonisten bieten Stoff für mehrere klassische problemorientierte Texte. Lill-Miriam, von ihren Mitschülern nur „das Biest“ oder „das Syndrom“ genannt, scheint eine Art von Autismus zu haben. Susan scheint sich durch die Anführerin ihrer Mädchenclique unterdrückt zu fühlen und verzweifelt an ihrem eigenen boshaften Tun. Ruben, als Sohn einer Kubanerin und eines Norwegers in Kuba geboren, sehnt sich nach seiner Heimat und nach seiner Großmutter, die ihrerseits um ihren durch das Castro-Regime inhaftierten Ehemann bangt. Zudem werden Lill-Miriam und Ruben wegen ihrer Andersartigkeit von ihren Mitschülern gemobbt. Im Verlauf des Romans wird deutlich, dass die drei durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sind. Einige Monate vor der gegenwärtigen Handlung hätte die Clique um Susan Lill-Miriam beinahe im Meer ertränkt. Dass sie noch lebt, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass Ruben Lill-Miriam früh genug gefunden hat. Lill-Miriam und Ruben sind seither durch eine zart aufkeimende Liebe verbunden. Als wären die Einzelschicksale nicht schon bedrückend genug, schweben über allem zudem lokale und globale ökologische Probleme: So wird die gegenwärtige Handlung durch einen Chemieunfall ausgelöst, infolge dessen eine ganze Stadt evakuiert werden muss, und in Lill-Miriams Gedanken schleichen sich immer wieder sorgenvolle Reflexionen über das geheimnisvolle Bienensterben, an die sich Gedanken über das allgemeine Artensterben besonders von Insekten und über die Erderwärmung anschließen. (Hier hat der Text eindeutig Längen, die sicher manchen Jugendlichen zum Aufgeben und Nichtweiterlesen bringen.)

Abgesehen von der Problemdichte unterscheidet sich der Roman jedoch in einigen Punkten deutlich von den angesprochenen ‚klassischen’ Vertretern der problemorientierten Literatur. Zunächst werden die Probleme nicht plakativ (durch einen auktorialen Erzähler) präsentiert, sondern durch das eher zusammenhanglose Erinnern der drei Erzählstimmen erst langsam aufgedeckt; einerseits scheinen sie damit weniger erdrückend zu sein, andererseits sind sie durch das Fehlen einer vermittelnden Erzählinstanz umso bedrängender. Ferner nimmt der Text selbst kaum moralisch Stellung, vielmehr werden Möglichkeit der Perspektivübernahme mit der ‚Täterin‘ Susan angeboten (ebenso erscheinen die Motive der Jungen, die Ruben mobben, plausibel, denn Ruben hatte sie gleich in den ersten Schultagen wegen eines Dummejungenstreichs an die Direktorin verpetzt). Damit ist ein weiterer Punkt angesprochen, der die Lektüre des Jugendbuchs erschwert, denn jeder Leser wird aufgefordert, sich seine eigene Meinung zum Geschehen zu bilden, eine vorgefertigte Moral wird nicht geboten, was sicherlich eine der Stärken des Textes ist.

„Zweet“ ist ein irritierender Roman und er bleibt es bis zum Schluss, denn er endet mit einem überaus irritierenden offenen Ende, das unterschiedlich gedeutet werden kann. Versierten Lesern bietet das Jugendbuch viel, weniger versierte Leser werden es wahrscheinlich bald – irritiert – zur Seite legen.

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Diese Rezension wurde verfasst von 141; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 30.11.2017

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