Zigeuner-Boxer

Autor*in
Reiniger, Rike
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
59
Verlag
Klak
Gattung
Taschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2016
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Das kleine Büchlein über den Boxer Johan Trollmann und seine Tochter zerfällt in drei ungleiche Teile. Im ersten Teil wird in einem fiktiven Monolog die Geschichte des Boxers von einem Freund aus Kindertagen erzählt, der mit seiner Erinnerung kämpft, der mit Ruki zusammen geboxt hat, ihn später im KZ wieder trifft und ihn auf Druck der SS-Wachmannschaft erschießt.

Beurteilungstext

Dieser Monolog ist ein literarischer Theatertext, die Uraufführung fand 2011 in Karlsruhe statt, das Stück wurde seitdem an etwa 15 Theatern in Deutschland, Österreich, Tschechien und in der Türkei nachgespielt. Die Geschichte des Sinto-Boxers, der 1933 Deutschen Meister wurde, aber offiziell seinen Meistertitel nicht bekam und statt dessen ins KZ kam und dort erschlagen wurde - hier weicht der vorliegende literarische Text in höchst konzentrierter wie dramatischer Form ab - ist erst seit wenigen Jahren bekannter geworden. Die Rezensentin hat 2016 eine Bearbeitung für die Bühne von Nada Kokotovi? und Nedjo Osman im Kontext der Integrationsreihe "Wir boxen uns durch! Vorbilder - Champions - Idole" vom Rom e.V in Köln in einer sehr beeindruckenden, körperintensiven Darstellung mit Nedjo Osman und Arno Kempf gesehen.
Im 2. Teil (S. 32-48) wird ein Interview von Frank Reiniger mit der Tochter Trollmanns wiedergegeben. Sie erfuhr erst als Vierzehnjährige, wer ihr Vater war und dass er tot war, was ihre Hoffnung auf Erlösung aus einer schlimmen Gegenwart zerstörte. Dies Wissen verschärfte die Ablehnung, die dem "Zigeunerkind" zuhause und in der Schule in den Nachkriegsjahren entgegengebracht wurde. Die Mutter schiebt sie in ein Heim ab. Erst als ältere Frau hörte Frau Vowe-Trollmann, dass es eine Familie ihres Vaters gibt, in der sie liebevoll aufgenommen wurde, und dass es Gedenken in der Öffentlichkeit an diesen Ausnahmeboxer in Form von Tafeln und Straßenbenennung gibt. Diese Lebensgeschichte wird im (geschriebenen) Interview so lebendig, wie die Rezensentin es am Holocaust-Gedenktag im Gespräch von Frau Vowe-Trollmann mit einer Erzieher-Klasse erlebte. Die Sehnsucht des Kindes nach dem unbekannten Vater, die Ablehnung durch die Mutter und in der Schule, die Heimeinweisung und damit verbundene Entrechtung, das jahrzehntelange Nichtwissen und, wie sie es beschreibt, die gute Gegenwart mit den Gedanken an einen unbekannten Vater.
Auf den Seiten 50-57 werden in einer Mischung von kursiver und normaler Schrift die Lebensdaten von Johann Trollmann und eine knappe Chronologie des Völkermordes an den deutschen Sinti und Roma gegeben.
In dieser Dreiteiligkeit eignet sich das Büchlein hervorragend als Material für Schulbibliotheken und am Thema Roma in der Zeitgeschichte Interessierte und natürlich auch für Schauspieler, die einen anspruchsvollen, sprachlich gelungenen Text mit einem höchst dramatischen Inhalt mit aktuellem Bezug suchen.

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Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.07.2016