Zeit der großen Worte

Autor*in
Günther, Herbert
ISBN
978-3-8369-5757-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
314
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Ort
Hildesheim
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Deutschland im Jahr 1914: Paul beneidet seinen älteren Bruder Max, der mit dem Vater in den Krieg zieht. Doch nach und nach erlebt und erfasst er die Schrecken des Krieges. Die Zeit der großen Worte wandelt sich in eine Zeit der Sprachlosigkeit. Eine ergreifende, packende Geschichte über den Ersten Weltkrieg…

Beurteilungstext

Am Anfang stehen die Kriegsbegeisterung und die enthusiastische Mobilmachung des deutschen Volkes im Jahr 1914, welche der Protagonist Paul zunächst voll mitgeht. Das ist kein Wunder, denn er liebt und verehrt seinen lebenslustigen, redegewandten Bruder Max, der ihn abends im Bett mit seinen Reden begeistert. Max will ein Held sein und in den Krieg ziehen, wie die meisten jungen Männer in dieser Zeit. Der Roman erzählt davon, wie die anfängliche Kriegsbegeisterung der Deutschen sich wandelt in Entsetzen und Schrecken, Verlust und Angst, alles durch die Perspektive des Jungen Paul betrachtet. Er wächst mit seinen Geschwistern (neben dem älteren Bruder Max gibt es noch die jüngere Schwester Gertrud) in der Stadt auf, wo die Mutter mit Inbrunst einen kleinen Kolonialwarenladen betreibt, zum Leidwesen des Vaters, der lieber auf dem Land geblieben wäre, wo er ursprünglich herkommt. Es belastet ihn, dass seine Frau für den Unterhalt der Familie aufkommt. So ist auch für Pauls Vater der Krieg eine willkommene Angelegenheit: Endlich kann auch er zeigen, dass er ein Held ist. Gemeinsam ziehen Vater und Sohn im August 1914 in den Krieg, in der tiefen Überzeugung, schon Weihnachten wieder daheim zu sein, um dann als Gewinner und Helden gefeiert zu werden. Skeptische Einwände und Ängste der Mutter wischen sie beiseite. Doch es dauert nicht lange, bis Paul erkennt, dass seine Mutter Recht hatte. Max` Persönlichkeit zerbricht im Krieg, er wird schwer traumatisiert, der Vater fällt. Der Laden der Mutter kann sich nicht halten, die Familie muss Unterschlupf auf dem Land beim Bruder des Vaters suchen.
Doch der Roman erzählt nicht nur von Trostlosigkeit, Tod, Trauer, Entbehren und den Schrecken des Krieges. Durch die Geschichte zieht sich ein Hoffnungsschimmer, was dem Autor Herbert Günther durch die Einarbeitung zweier Liebesgeschichten in das Kriegsdrama gelungen ist. Da sind einmal Max und Louise, Tochter aus höherem Hause, die den Standesunterschieden trotzen und inmitten der Kriegswirren Verlobung feiern, als Max zum Heimaturlaub kommt. Louise liebt Max so sehr, dass sie sich dem Willen ihres Vaters widersetzt und auf der Verlobung besteht. Und auch dem Protagonisten Paul geht es ähnlich. Im Gegensatz zu seinem Bruder Max verliebt er sich aber nicht in ein Mädchen aus höherem Stande, sondern in Ida, die Tochter des Schmieds, die als Dienstmädchen bei der Familie arbeitet. Auch dieses junge Paar hat mit den Standesunterschieden zu kämpfen, hält aber nach Romeo-und-Julia-Manier aneinander fest. Die Liebesgeschichten sind sensibel und authentisch erzählt und suggerieren den Anschein von der Stabilität der Emotionen in Kriegszeiten, ohne dabei je kitschig zu werden. Das Heldentum der Männer bricht, eigentliche Heldin der Geschichte ist Louise, die an Max festhält, auch dann noch, als er verwundet und schwer traumatisiert ohne rechten Arm und ohne Sprache (die Worte der großen Zeit sind versiegt!) im Lazarett liegt. Doch weder sie und ihre Liebe noch der kleine Bruder Paul können ihn vor dem Tod bewahren: Max stirbt an den Folgen von ""Kaufmanns Kur"", einer Elektrotherapie, die die Ärzte für Fortschritt hielten.

Der bekannte Kinder-und Jugendbuchautor Herbert Günther aus Göttingen (Jahrgang 1947) hat zum Jubiläumsjahr 2014 einen packenden und ergreifenden Roman zum Ersten Weltkrieg vorgelegt, der sowohl durch seine schillernde Erzählkraft als auch durch seine detaillierte Recherche überzeugt. Pauls Geschichte ist sensibel und authentisch erzählt, seine Gefühle und Gedanken entführen den Leser in die ""Zeit der großen Worte"" und erzählen von gebrochenem Heldentum, Tod, Trauer, Verlust, aber auch von Liebe und Hoffnung. Besonders gelungen sind auch die intertextuellen Bezüge, die durch Pauls Leidenschaft für Bücher entstehen. Er will Buchhändler werden, kein Kriegsheld, hilft in der örtlichen Buchhandlung aus und zieht seinen Lebensmut aus Romanen wie ""Die Schatzinsel"" oder ""Der Schatz im Silbersee""- aber natürlich auch aus seiner Liebe zu Ida.

Das Buch ist auch wegen seines ausführlichen Glossars und der Zeittafel im Anhang sehr empfehlenswert. Ein großartiger historischer Jugendroman, dessen schulischer Einsatz vielen Klassen zu wünschen wäre.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von kku.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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