Wonderland

Autor*in
Stein, Christina
ISBN
978-3-7335-0289-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
383
Verlag
Gattung
Ort
Frankfurt a.M.
Jahr
2016
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sechs junge Menschen aus Deutschland, attraktiv, lebensfroh, verbringen ihren Urlaub im thailändischen Paradies. Doch irgendetwas stimmt nicht, denn nach einer ausgelassenen Party in der Nobelvilla von Jacobs Onkel wachen sie in einem Alptraum auf - gefangen in einem grausamen Spiel, das jeden zweiten Tag ein Opfer fordert.

Beurteilungstext

Amelie, Nelli und Elisabeth, Lizzy genannt, wollen einen Neustart wagen, die Sorge um Lizzys Herzinsuffizienz, die deren Träume von der erfolgreichen Ballerina völlig zerschlagen hat, vergessen und mit Hilfe eines ‚Around-the-world-Tickets' die Welt kennen lernen. In Thailand treffen sie Collin und Ben, genau wie sie selbst gut aussehende junge Männer aus Deutschland, und wenig später in einem Hostel Jacob, der sie zu einer Party in das Haus seines reichen Patenonkels einlädt. Dieses Wonderland toppt alle Vorstellungen: Glanz und Wohlstand pur, alles, was man aus den High-Society-Filmen kennt. Doch Lizzys Bauchgefühl lässt sich von dem Glamour nicht täuschen - irgendetwas stimmt hier nicht. Warum kann sie das Gefühl nicht loswerden, dass Jacob irgendetwas vor ihnen verbirgt? Wenige Stunden später ist das Wunderland zur Hölle geworden, sie werden in einer von kahlen Betonwänden umrahmten Anlage gefangen gehalten, müssen in Bunkern auf mit Blut verschmierten Betten schlafen und werden in allen Situationen, selbst beim Duschen, überwacht, beobachtet, kommentiert, psychisch unter Druck gesetzt. Lizzy hat keine Medikamente, sie kämpft bereits in den ersten Stunden nach dem Erwachen aus ihrer Betäubung ums Überleben. Doch sie wird nicht die erste sein, die ihr Leben verlieren könnte. Denn die Regelgeber dieses grausamen Spiels halten ihre Versprechungen nicht ein - sie wählen ihr erstes Opfer selbst aus. Der psychische Druck wächst, die einst ausgelassene und harmonische Gruppe ‚zerfleischt' sich durch Misstrauen, Vorwürfe, Aggressivität. Hilflos müssen sie zusehen, wie auch Amelie ihren Reihen entrissen wird. Welche Rolle spielt dabei Jacob, in den sich Lizzy unsterblich verliebt hat? Ist er Opfer oder Mittelsmann? Erst nach und nach lüftet er das grausame Geheimnis, das ihn dazu brachte, sich auf dieses Spiel einzulassen.
Die Handlung fesselt den Leser bis zum Ende, die Ich-Perspektive der Kapitel wird von wechselnden Personen ausgefüllt, so dass sich für den Leser nach und nach ein Puzzle aus Motiven und Vorgeschichten ergibt, die in dieses - fast möchte man sagen: widerlichen - menschenverachtende Spiel hineinfließen. Auch wenn es eine klare Unterscheidung zwischen den Guten und den Bösen gibt, so gerät diese Grenze wiederholt ins Wanken, denn unter der psychischen Anspannung handeln auch die Protagonisten nicht nach ihren eigentlichen Grundsätzen. Durchgängig bleibt die Frage, was ein Menschenleben noch wert ist, wenn es wie eine Spielfigur eingesetzt oder eliminiert werden kann. Eine zweite Chance gibt es für die Verlierer nicht - es geht immer nur ums Ganze.
Auch wenn die Handlung ins ferne Thailand verlagert wird, so ist die Ortswahl ‚eigentlich' völlig beliebig, denn die Spieler sind digital weltweit vernetzt, es geht um ‚Frauenmissbrauch', Cybersex und Organhandel - jeder will etwas bekommen: Geld, Lustgefühle, sexuelle Befriedigung, Rache oder eine individuell definierte Gerechtigkeit. Opfer sind weder die Armen noch die Reichen dieser Welt, sondern die optischen ‚Vorzeigemodelle' unserer Gesellschaft. Diese Tatsache ruft eine tiefe Betroffenheit beim Leser hervor, denn hinter keinem Motiv steckt der Neid auf ‚die Lieblinge der Götter', wie es die antike Mythologie lehrt, sondern gerade ihre Vollkommenheit idealisiert sie aus Sicht der Spieler für die Rolle des Opfers. Innerhalb weniger Stunden pervertiert sich durch den Druck von Außen Vertrauen in Misstrauen gegeneinander, zarte Keime der Hoffnung werden brutal vernichtet bei der Erkenntnis, dass die Betroffenen diesem Spiel vollständig ausgeliefert sind, dass Freunde über viele Jahre hinweg skrupellose Gegner waren und dass man selbst innerhalb von Sekunden zum Mörder wird. Am Ende bleibt ein Fragezeichen - alle Beteiligten und ihre Familien sind lebenslang gezeichnet von diesen Ereignissen, keiner weiß, ob sie jemals Ruhe bekommen werden - weder das Netz noch die Macher werden vergessen!
Das Buch ist mit hoher Intensität und emotionaler Dichte geschrieben, trotz der Grausamkeiten wächst zwischen Jacob und Lizzy das Pflänzchen der Liebe, die das notwendige Vertrauen schafft und die beiden zu starken Persönlichkeiten werden lässt. Die Handlung bietet viele Ansatzpunkte - vielleicht eher Zündstoff - für Diskussionen, sucht nach Antworten, die in die Hände des Lesers gelegt werden können. Daher finde ich das Buch sehr empfehlenswert, sowohl für die Bibliothek als auch für das Lesen in einer größeren Gruppe, aber es ist sicherlich für manche Leser aufrüttelnd, erschütternd, wenn nicht gar Furcht einflößend.

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Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.01.2017

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