Wir sind die Adler - Eine Kindheit in Theresienstadt

Autor*in
Michael Gruenbaum u. Todd Nasak-Lowy,
ISBN
978-3-499-21807-1
Übersetzer*in
Möller, Jan
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
346
Verlag
Rowohlt
Gattung
BiografieTaschenbuch
Ort
Reinbek
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Michael Gruenbaum (*1930 in Prag) erzählt von seiner Kindheit zur Zeit des Nazi-Terrors. Er beginnt mit seinen Erinnerungen an das glückliche Familienleben vor dem Einmarsch der deutschen Truppen, berichtet von der Ermordung des Vaters und der Zeit im Prager Ghetto. Ausführlich schildert er die Erlebnisse in Theresienstadt, wo er mit der Mutter und der Schwester ums Überleben kämpft. In Zusammenarbeit mit dem Autor Todd Hasak-Lowy entstand ein Buch, das insbesondere Jugendliche ansprechen will.

Beurteilungstext

Michael Grünbaum ist „einer der Letzten, die noch davon erzählen können“, von der Zeit der Verfolgung durch die Nazis und ihrer Gräueltaten, von dem Elend in den Ghettos und Lagern, vom täglichen Kampf ums Überleben. Der Titel des Buches „Wir sind die Adler“ klingt da verwunderlich, geht es doch um die Geschichte eines jüdischen Jungen zur Zeit des Holocaust. Die Geschichte des Buches ist aber nicht nur eine Geschichte des Leidens, sondern auch eine Geschichte über das Glück von ganz besonderen Freundschaften und über die Kraft und die Unterstützung, die sich Menschen gegenseitig geben können.

Der 12-jährige „Micha“ erfährt in Theresienstadt, wie hilfreich die Gemeinschaft Gleichaltriger in diesen Zeiten der Bedrohung und der Angst ist. Hier im Lager werden die Kinder getrennt von ihren Eltern untergebracht, können aber weiterhin engen Kontakt zu ihren Familienmitgliedern halten. Micha wohnt in einem Zimmer mit 40 anderen Jungen, die Gruppe wird betreut von einem jungen erwachsenen Gefangenen. Es ist dieser ‚Franta‘, der es schafft, den Kindern Kraft und Mut für ihren Alltag zu geben, der für sie eine Form schulischen Lernens ermöglicht und ihnen u.a. durch das gemeinsame Fußballspiel zeigt, wie sehr sie aufeinander angewiesen sind. Seine Gruppe hat den Namen die „Nešarim“, die Adler. „Jeder von uns“, sagt Franta (und meint dabei nicht nur das Fußballspiel), „hat, für sich allein genommen, kaum eine Chance… Aber gemeinsam können wir alle großartig sein. Wenn wir zusammenspielen.“ Mit dem Zerbrechen eines Stabes und dem vergeblichen Versuch, ein Bündel Stäbe zu zerbrechen, verdeutlicht er das Gesagte. „Ich glaube, dass sie (die „Nešarim“) ein wundervolles Bündel sind.“

Micha überlebt die Zeit in Theresienstadt, die Appelle, die Krankheiten, den Hunger. Dreimal entkommen er, seine Mutter und Schwester knapp den Deportationen „in den Osten“, von dessen Ziel man nichts Genaueres weiß. Erst gegen Ende des Buches, als die Überlebenden der Todesmärsche aus Auschwitz und Birkenau in Theresienstadt ankommen, erfährt Micha von dem ganzen Schrecken dieser Lager und erkennt, dass ihr Ort als Durchgangsstation für die Vernichtungslager diente.

Die Ereignisse dieser Zeit werden aus der Perspektive eines Kindes erzählt, das nicht immer die Bedeutung und die Hintergründe dessen versteht, was es sieht und erlebt. Seine Gedanken, Erinnerungen, inneren Monologe haben viel Raum und machen die Geschichte darum so besonders nachvollziehbar. So nehmen wir auch Teil an Michas Stolz über die Erfolge beim Fußballspiel und an seiner Begeisterung über die Mitwirkung an der Kinderoper „Brundibar“. Und wir trauern mit ihm über den Verlust des Vaters und den Abschied von Freunden, die deportiert werden und die er nie wiedersehen wird, erleben seine Angst und teilen sein Entsetzen über die ausgemergelten Gestalten der Todesmärsche.

Dieses Buch bietet sich für die Beschäftigung mit dem Thema „Holocaust“ an. Gerade weil es sich um die Erlebnisse eines Kindes, eines Jugendlichen handelt, ist es eine sehr empfehlenswerte Lektüre für Schüler und Schülerinnen in der Sekundarstufe. Zahlreiche Fotos und die Abbildung von Briefen, Dokumenten usw. bezeugen die Realität des Erzählten. Insbesondere Jungen werden mit diesem Buch einen Zugang zu dem Thema finden, das aktuell vielleicht wichtiger denn je ist. Der Blick auf die Kraft, die durch den Zusammenhalt der Kinder und durch ihre Unterstützung möglich wird, kann uns auch noch heute ermutigen, sich für einander einzusetzen und die Hoffnung auf Frieden und eine solidarische Welt nicht aufzugeben.

Beim Rowohlt-Verlag liegt zu diesem Buch ein mehrseitiger Unterrichtsentwurf mit Materialien von Nina Wilkening vor, der kostenlos als PDF-Datei zur Verfügung gestellt wird. Hier findet man u.a. mehrere Arbeitsblätter, einen Überblick über den historischen Kontext und Anregungen zu unterschiedlichen Arbeitsformen.

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Diese Rezension wurde verfasst von htd; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 13.07.2018