Winter auf Solupp

Autor*in
Scheffel, Annika
ISBN
978-3-522-18609-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
301
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanFantastik
Ort
Stuttgart/Wien
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Seit den Sommerferien kennt die Familie Fröhlich die Insel Solupp, die allerdings auf keiner offiziellen Karte eingezeichnet ist. Trotzdem haben sie dort unvergleichlich schöne, erholsame und mystische Ferienwochen verbracht. Kein Wunder, dass gerade jetzt in den Weihnachtsferien die drei Kinder wieder auf diese Insel wollen. Aber auch die Inselkinder sehnen sich nach ihren Freunden vom Sommer und vom geheimnisvollen Festland. Wie wohl diese Ferien verlaufen und enden? Oder enden sie gar nicht?

Beurteilungstext

Annika Scheffel nimmt uns in ihrem zweiten Band der (wahrscheinlichen) Solupp-Trilogie mit auf die winterliche Insel. Bereits im Sommer haben wir mit der Familie Fröhlich spannende und zum großen Teil geheimnisvolle Ferienwochen verbringen dürfen. Jetzt zieht es die drei Kinder der Familie, Kurt, Mari und Bela, in den Weihnachtsferien wieder dorthin. Die beiden Kinder auf der Insel, Ema und Joon, haben ebenfalls Sehnsucht nach ihren Sommerfreunden. Groß ist daher die Freude, als man sich wieder trifft. Auch die Erwachsenen genießen das Wiedersehen.
Doch jetzt ist Winter und bereits die Überfahrt nach Solupp wird zu einem spannenden Ereignis. Alles scheint so wie im Sommer - doch auch wieder nicht. Denn es ist kalt. Und als der Schnee fällt, verwandelt sich die Insel in ein geheimnisvolles Wintermärchen. "Und von einem Moment auf den anderen ist das Haus gefüllt mit Tellerklirren und Geschichten und Lachen." Wärme umgibt die Menschen wenn sie sich treffen. Diese erlebte Gemeinsamkeit grenzt die Kälte des Winters aus und schenkt ihnen Geborgenheit.
Und es gibt neben den geheimnisvollen Geschichten der alten Fischerfrau auch ein seltsames Rätsel. Eines das Wünsche erfüllt, wenn man bis zur Wechselnacht die sieben Aufgaben lösen kann. Die Wechselnacht ist dieser geheimnisumwitterte Zeitpunkt, wo sich das alte Jahr verabschiedet und das Neue Jahr beginnt. Diese Millisekunde, die es eigentlich nicht gibt, kann - so die alte Fischerfrau - Wünsche erfüllen, wenn ... ja wenn man diese Aufgaben erfüllt hat. Dazu gehören u.a. "Einen Ort finden, an dem noch nie jemand war, Durch die Zeit reisen, Einen schlafenden Riesen wecken, Eine alte Wunde heilen, ...". Scheinbar unerfüllbare Aufgaben, doch die Kinder wagen sich daran, sie zu lösen. Sie stürzen sich in zum Teil lebensgefährliche Abenteuer, finden ein krankes Rentier oder retten einen der ihren aus einem Eisloch vor dem Ertrinken. Ja, sie können die Aufgaben lösen, auch wenn eine Aufgabe dann doch nicht so ganz richtig gelöst ist.
Parallel dazu sucht Ema, das Kind von der Insel, nach ihren leiblichen Eltern. Sie kommt zwar, als sie ein altes Wrack findet, dem Geheimnis etwas näher, doch dann verschwinden wieder alle Spuren im Winterwind.
In der geheimnisvollen Wechselnacht feiern alle eine Party, wie sie Solupp noch nie gesehen hat. Man verkleidet und schminkt sich, tanzt nach uralten Schlagern oder Kurts "finnischen Brüllliedern", isst und trinkt und tanzt und lacht und ... Und da alle lange vor der bewussten Uhrzeit müde sind, schicken sie zu ihren passenden Uhrzeiten ihre Wünsche in die Winternacht.
Ob sich alle erfüllen, sei nicht verraten. Einen überraschenden Schluss gibt es auf alle Fälle. Ein Ende, das keines sein kann und darf, denn noch sind nicht alle Handlungsstränge zu Ende geknüpft.
Annika Scheffel hat ein skandinavisches Inselmärchen geschaffen, das inhaltlich und sprachlich durchaus an die Erzählkunst von Astrid Lindgren heranreichen kann. Ihre Nähe zu Skandinavien wird sicher aus ihrer eigenen Biografie gespeist, denn sie hat u.a. im norwegischen Bergen Angewandte Theaterwissenschaft studiert. Tief dringt sie in die Gefühle der Personen ein, veranschaulicht sie mit verbalen Neuschöpfungen, die phantasievoll und anspruchsvoll zugleich sind. Es ist das Inselmotiv, das sie beschwört. Nicht die Insel der Bewährung oder des Gefängnisses wie bei Robinson oder die Insel als fremde Welt, wie bei Gulliver. Es ist auch keine Insel "Utopia" wie bei Thomas Morus oder eine Insel des Abenteuers wie bei Enid Blyton. Es ist das Inselmotiv der Heimat, der Geborgenheit, des "Zuhause-Seins". "Mein Zuhause ist dort, wo viele verschiedene Teile meines Lebens aufeinandertreffen. Freunde, Familie, aber auch alte, vertraute Plätze. Wobei ich glaube, dass Freunde inzwischen einen ganz besonderen Stellenwert für das Zuhause-Gefühl einnehmen.", sagt die Autorin in einem Interview.
Annika Scheffel ist es absolut gelungen, den anspruchsvollen sprachlichen und inhaltlichen Level auch im zweiten Band ihrer Solupp-Serie aufrecht zu erhalten. Wahrscheinlich werden nicht alle zehnjährigen Leser und Leserinnen diesem Niveau sofort folgen. Doch dies ist kein Manko. Wir brauchen anspruchsvolle Literatur - auch für Kinder - damit sie sich in unserer unübersichtlichen Welt artikulieren können. Technik und Naturwissenschaft sind absolut wichtig. Wichtiger ist aber die Bildung der Sprache und damit die Fähigkeit konstruktiv miteinander zu kommunizieren. Freuen wir uns auf den dritten Band.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 02.11.2022