Wilhelms Reise - eine Auswanderergeschichte

Autor*in
Bär, Anke
ISBN
978-3-8369-5409-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bär, Anke
Seitenanzahl
63
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Sachliteratur
Ort
Hildesheim
Jahr
2012
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Aufbruch in die Fremde, blinde Passagiere und tierische Begleiter - Anke Bär erzählt die Geschichte eines jungen Auswanderers im Jahre 1872.

Beurteilungstext

Inhalt:
Anke Bär begleitet in ihrer Geschichte die Passagiere der Columbia, die sich auf die ungewisse Reise in die Neue Welt begeben. Mit besonderem Fokus auf den 15-jährigen Wilhelm erfährt der Leser, nicht zuletzt durch Wilhelms "eigene" Bleistiftzeichnungen in seinem Notizbuch, von Aufbruchsstimmung, Enge und Ernüchterung an Bord und der ersehnten Ankunft in Amerika. Aber auch über Nautik, die Tiere des Ozeans und den Aufbau eines Segelschiffes wird berichtet.
Bewertung:
Bereits die historisch anmutende Aufmachung dieses Buches lässt den Leser eintauchen in das Jahr 1872. Dem Ruf eines so genannten "Amerikawerbers" folgend, verlässt der junge Wilhelm den Spessart und macht sich auf den Weg nach Bremerhaven. Von hier aus startet die Columbia ihre Überfahrt nach New York. Wilhelm findet eine freie Koje im engen Zwischendeck und doch fühlt er sich einsam zwischen all den fremden Menschen. Aber schon die helle Morgensonne lässt ihn am nächsten Tag wieder gespannt die Nase in den Fahrtwind halten.
Von nun an erfährt der Leser auf je einer Doppelseite von einem neuen Aspekt einer solchen Überfahrt vor mehr als 100 Jahren. Ein Inhaltsverzeichnis zu Beginn bereitet den Leser bereits auf die ihn erwartende thematische Vielfalt vor. "Am Hafen", "Seekrank" oder "Die Route" sind hierfür nur einige Beispiele. Es wird in einfühlsamen Zeichnungen über die körperlichen Belastungen einer Reise wie dieser berichtet und unter einer Lupe werden Bettwanzen und Flöhe als Verursacher von so manchem Juckreiz entlarvt. Ernährung an Bord sowie die prekären Hygienebedingungen werden ebenso thematisiert wie die Spiele der Kinder und die Aufgaben der Besatzung. Liedtexte und Spielanleitungen bieten dem Leser von heute eine Identifizierungsmöglichkeit mit den Kindern von damals - gesungen und gespielt wurde schließlich schon immer, das wird hier deutlich.
Grün umrandete Informationskästen enthalten Ausführungen bspw. zur Kleidung der Reisenden oder zum Spielen ohne Spielzeug. Zudem bieten sie abseits von Wilhelms persönlicher Geschichte Erläuterungen zu Fachbegriffen wie "Bilge", "Nausea" oder "Reeperbahnen". Auch finden sich auf vielen Seiten neben dem eigentlichen Text kleine karierte Papierfetzen, auf denen mit Bleistift geschriebene zusätzliche Anmerkungen zum "Seitenthema" zu finden sind. Auf der Seite "Schiffszwieback und Pökelfleisch" wird auf einem solchen Papierfetzen z.B. erklärt, was unter dem "Kapitänsvorrecht" beim Essen zu verstehen ist. Generell sind viele Zeichenelemente beschriftet, was das Verständnis unterstützt. So gibt es auf einer Doppelseite sehr viel zu entdecken, allerdings erschwert eine solche Zerstückelung der Informationen auch den Lesefluss.
Die meiste Aufmerksamkeit ziehen aber sowieso die zahlreichen Illustrationen auf sich, die dafür sorgen, dass es auch bei noch so häufigem Lesen immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt. Hierbei handelt es sich um eine farbenfrohe Mischung aus Kohlestift- und Bleistiftzeichnungen, welche zum Teil farbig ausgestaltet sind. Besonders interessant sind die Darstellungen, in denen lediglich ein Element farbig hervorgehoben wird. Ergänzt werden diese durch authentisch anmutende Postkarten, Kochrezepte oder Fahrkarten. 15 ganzseitige Illustrationen stehen 48 Seiten gegenüber, auf denen sowohl Textpassagen als auch Zeichnungen zu finden sind. Dabei dienen die Illustrationen der Veranschaulichung des Beschriebenen. Die Vielfalt der verwendeten Schriftarten unterstützt die Trennung zwischen eigentlicher Handlung und zusätzlichen Informationen. Anmerkungen zu Wilhelms Zeichnungen sind bspw. in Bleistift verfasst und in Schreibschrift gehalten.
Die Vielfalt des Buches stellt zugleich aber meines Erachtens einen Kritikpunkt dar, da es so aufgrund seines Umfanges für Kinder nicht in einer Sitzung zu schaffen ist. Ein paar Details weniger hätten vielleicht dafür gesorgt, dass auch den letzten Seiten noch die verdiente Aufmerksamkeit zu Teil wird. Besonders hervorzuheben ist hingegen die am Ende des Buches befindliche "Chronik der deutschen Auswanderung nach Amerika". Beginnend im Jahr 1607 reicht die Darbietung der Fakten bis ins Jahr 1987. Jedoch ist diese interessante Übersicht leider sehr klein gedruckt. Zudem finden sich Tipps zu Büchern und Museen (im Norden Deutschlands), die sich ebenfalls mit dem Thema Auswanderung beschäftigen. Dies stellt eine gute Möglichkeit zur Fortsetzung der Recherche dar!
Zusammenfassend gelingt es diesem Sachbilderbuch nicht nur eindrücklich, ein privates Schicksal mit reichlich Faktenwissen auf geschmeidige Weise zu verknüpfen, sondern es vermittelt auch gleichermaßen die von der "Neuen Welt" ausgehende Faszination sowie die harte Realität, der sich die Ausreisewilligen stellen mussten, begaben sie sich an Bord eines Schiffes wie der Columbia.
Erwägt man einen Einsatz dieses Buches im Schulunterricht, so bietet es sich vor allem als Recherchemittel bspw. zur Vorbereitung eines Referats zum Thema Auswanderung oder Schifffahrt an. Ein Verbleiben von "Wilhelms Reise" in der Leseecke eröffnet interessierten Schülern die Möglichkeit, sich nach und nach mit der Informationsfülle des Buches auseinanderzusetzen. Wie bereits im Anhang erwähnt, bietet sich zudem eine Verbindung mit einem Besuch in einem Auswanderermuseum o.ä. an, um neben Wilhelms Erfahrungen auch andere Perspektiven auf diese spannende Zeit kennenzulernen.
Ich erachte das Buch als sehr empfehlenswert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von chä.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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