Wildesland

Autor*in
Franz, Cornelia
ISBN
978-3-8369-6185-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Baan, Petra
Seitenanzahl
142
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hildesheim
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nicht ohne Grund ist Matthis mit seinem Hund tagelang inn den Wäldern Norwegens unterwegs. Er ist auf der Suche nach sich selbst und muss Vergangenes bewältigen.

Beurteilungstext

Nach ihrem letzten Kinderroman "Calypsos Irrfahrt" lässt Cornelia Franz ihren Protagonisten Matthis tagelang alleine in den norwegischen Wäldern umherirren. Dieses Mal ist aus einer Odyssee eine Robinsonade geworden.
Wie das? Wenn der Held der Erzählung doch auf keiner einsamen Insel lebt oder ausgesetzt ist?
Matthis ist mit seinem jüngeren Bruder und seinen Eltern in den Sommerferien in Norwegen. Zur Familie gehört noch Tara, eine Hündin. Sie bewohnen ein einsames Ferienhaus und sind auf der Rückfahrt von einer Wanderung. Matthis ist derjenige in der Familie, der immer aneckt, der Streit anfängt oder schnell mit anderen in Streit gerät. Er langweilt sich auf der Rückfahrt, die auf einer Serpentinenstraße nach oben führt. Er trommelt auf seiner Wasserflasche und zielt mit seiner Steinschleuder durchs offene Autofenster auf Straßenschilder und manchmal auf die Radkappen von vorbeifahrenden Autos. Sein Vater setzt ihn kurz vor der Ankunft beim Ferienhaus auf die Straße und befiehlt ihm alleine nach Hause zu laufen. Matthis steigt aus und nimmt seinen Hund mit. Wütende Gedanken schickt er dem davonfahrenden Auto hinterher.
Als er das Auto seiner Eltern Stunden später wieder sieht, liegt es in einer Schlucht. Ein Steinschlag war die Ursache für den Unfall. Dass seine Eltern und der Bruder noch leben, wird später als Wunder bezeichnet.
Damit beginnt diese Robinsonade. Ob von der Autorin so gewollt oder nicht, bleibt dahingestellt. Aber es ist eine, wenn wir der Definition von Reinhard Stach folgen, der sehr viele Robinsonaden gesammelt hat. Sie werden in Troisdorf ausgestellt. Nach ihm ist das erste Merkmal einer Robinsonade: Ein Ereignis von außen wird zum Auslöser für die Katastrophe, die plötzliche Einsamkeit. Matthis fühlt sich so elend, dass er keinen Kontakt mehr mit Menschen haben will. Er fühlt sich schuldig und streunt tagelang mit Tara durch die unendlichen Wälder Norwegens, verirrt sich, läuft im Kreis - physisch und auch psychisch. Er muss Essbares auftreiben, für sich und Tara. Er spürt seine Verantwortung. Einige Tage ernährt er sich von Beeren, hat Glück, dass der Himmel wolkenlos ist und er immer wieder einen Schlafplatz unter Bäumen findet.
Dies ist das zweite Merkmal: die Sorge um den Lebensunterhalt und die Frage seiner Lebensgestaltung. Er wandert, liegt an vielen stillen Seen am Strand, versucht Fische zu fangen, kann mit seiner Plastikflasche ein Feuer entzünden, wärmt sich daran. Und er findet "seinen Freitag". Ein etwa gleichaltriges Mädchen taucht auf, sehr selbstbewusst und der deutschen Sprache mächtig. Dieses Rätsel wird später logisch erklärt. Mit ihr oder durch sie lernt er richtiges Fischen, lernt giftige von ungiftigen Pilzen zu unterscheiden, kann eine Steinhütte bauen und ... Trotzdem ist sie abends verschwunden und taucht morgens oder etwas später wieder auf. Sie sagt nicht, wer sie ist. Matthis gewöhnt sich an sie und vermisst sie, wenn sie nicht da ist. Dann gerät er ins Grübeln: über seine Schuld, über seine Streitereien, über seine Eltern und er vermisst seinen kleinen Bruder.
Das dritte Merkmal einer Robinsonade taucht auf, als er Jule, dem Mädchen, nachschleicht, um herauszufinden, wo sie wohnt. Auf dem Rückweg zu seiner Hütte verirrt er sich so sehr, dass er - ohne es zu wollen und zu wissen - vor dem gemieteten Ferienhaus seiner Eltern steht. Noch kann er ihnen nicht unter die Augen treten, kann nur heimlich seinen Bruder besuchen und erfährt alles über den Unfall. Zweifel werden beseitigt, neue Gedanken keimen bei ihm auf, doch noch ist er nicht so weit zurückzukehren. Erst als er ein Plakat findet, wo er gesucht wird und Jule bei einem Ausflug von einem Insekt gestochen wird, auf das sie allergisch reagiert, muss er sich seiner Vergangenheit und Gegenwart stellen. Er kehrt zurück.
Einfühlsam und zart hat die Autorin die Natur Norwegens beschrieben. In diesem Text spiegelt die Natur, das wechselnde Wetter, das Verirren im Wald und die Herausforderungen von Jule sein Inneres. Matthis lernt in diesen Tagen auf sich selbst zu hören, sich seiner Vergangenheit zu stellen und ein Stück weit sein Ich zu finden.
Ein großartiger Roman, der viel mehr Seiten hat als die angegebenen 142 Seiten. Ein Roman, den auch Erwachsene mit Gewinn lesen können. Eine Robinsonade, ohne Insel, aber mit einem weiblichen "Freitag" und einem verständnisvollen Hund.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 20.03.2023

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