Wieke und Ken

Autor*in
Koch, Karin
ISBN
978-3-7795-0666-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schütte, Niklas
Seitenanzahl
136
Verlag
Peter Hammer Verlag
Gattung
Ort
Wuppertal
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Wieke ist genervt, denn sie muss mit ihrem Vater, seiner neuen Freundin Xandra und deren Tochter Bille die Ferien in einer kleinen Hütte in Italien verbringen. Das alles ist schon schlimm genug, aber Xandra hat auch noch Ken, einen Jungen aus Afrika mitgenommen. Und der ist höchst sonderbar und außerdem ein Dieb. Das denkt jedenfalls Wieke.

Beurteilungstext

Wieke ist genervt, denn sie muss mit ihrem Vater, seiner Freundin Xandra und deren nervigen Tochter Bille in einem kleinen italienischen Bergdorf in einer Hütte ohne Strom Urlaub machen. Sie mag weder Xandra noch Bille. Aber noch schlimmer ist, dass Xandra auch noch Ken, einen afrikanischen Flüchtlingsjungen in ihrem Alter mitgenommen hat.
Ken wurde als Hexenkind denunziert und ist vor diesen unmenschlichen und lebensbedrohlichen Bräuchen aus Nigeria nach Europa geflohen. Ganz allein, nur in Begleitung eines befreundeten Erwachsenen. Seine Familie musste er in Nigeria zurücklassen und vermisst sie wahnsinnig. Er lebt in einem Kinderheim und eigentlich gefällt es ihm dort recht gut, denn er hat Freunde, versteht sich mit den Erzieherinnen und darf endlich zur Schule gehen. Nervig ist, dass eine ihm fremde und nicht sonderlich sympathische Frau seine Betreuung übernommen hat. Und so kommt es, dass er mit ihr und ihrer höchst merkwürdigen Familie nach Italien in den Urlaub fährt. In eine Berghütte, ohne Strom und mit dem ständigem Argwohn Wiekes. Dass sie ihn sonderbar findet, stört ihn nicht, denn er mag sie auch nicht. Aber da er den Kontakt zu seiner Mutter in Nigeria aufrecht erhalten will, ist er ständig auf der Suche nach Handyempfang und Strom und so beginnt er sich mehr und mehr von der Familie zurück zu ziehen.
Wieke wird immer misstrauischer. Dieser afrikanische Junge sitzt meistens allein in seinem Zimmer, während sie sich mit der nervigen Bille herumärgern muss. Ken beginnt nachts allein durch die Gegend zu streifen und als Wieke sieht, dass er die schöne Glaskugel eines netten, alten Herren im Dorf in sein Zimmer trägt, weiß sie es sicher: Ken ist ein Dieb.
Als Bille krank wird, spitzt sich die Situation zu, denn die Familie hat weder Medikamente noch ein Fieberthermometer dabei. Während alle versuchen Bille irgendwie zu helfen, konfrontiert Wieke Ken damit, ein Dieb zu sein. Die Situation eskaliert und Ken verlässt die Hütte und die Familie. Unvermittelt gerät er in Lebensgefahr und es ist ausgerechnet Wieke, die ihn rettet.
"Wieke und Ken" ist ein Kinderbuch, dass sehr feinfühlig und emotional das Thema Flucht, Migration und Vorurteile gegenüber Fremden in unserer Gesellschaft aufgreift. Denn Kens Geschichte ist sehr tragisch und niemand hier kann nachempfinden was es bedeutet, Aberglaube ausgesetzt zu sein. Was es bedeutet, ein Leben fern der eigenen Familie aufbauen zu müssen. Und niemand, der geborgen im Kreise seiner Familie leben darf, kann sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie es sich anfühlen muss, wenn man ohne seine Familie leben muss. Ken vermisst seine Mutter, aber eigentlich ist er sogar glücklich im Heim, denn er hat endlich die Möglichkeit zu leben und zu lernen. Er hat die Möglichkeit ein normaler Mensch zu sein. Doch leider ist er anders als die meisten hier, denn seine Hautfarbe ist dunkel. Egal wie "normal" er sich verhält, er ist immer der Andere, der Fremde.
In wechselnden Perspektiven erzählt das Buch Wiekes und Kens Sicht auf die Dinge. Und beim Lesen kann man Wieke ihre Vorurteile nicht mal übel nehmen, denn auch sie schaut aus ihren eigenen Problemen und aus ihrer Unwissenheit heraus auf Ken. Sie hinterfragt nichts, sondern verstrickt sich in Denkmuster und Narrativen, die leider viele Menschen in unserer Gesellschaft teilen. Unsympathisch wirkt Wieke aber nicht, denn Karin Koch gelingt es, einen Blick auf das Mädchen zu werfen, der zwar hinterfragend, aber nicht negativ belastet ist. Kens Erzählungen hingegen machen bisweilen traurig, sprachlos und sogar wütend, Denn Ken ist ein ganz normaler Junge, dem in seiner Heimat Nigeria aufgrund des Hexenkinderglaubens jede Lebensgrundlage genommen wird und der seine Mutter verlassen muss, um in Deutschland überhaupt eine Perspektive zu haben. Doch selbst hier, in einem aufgeklärten und freiheitsliebenden Land schlagen ihm Vorurteile und Misstrauen entgegen, lediglich weil seine Haut dunkel ist und er aus einem weit entfernten Land kommt.
Empfehlenswert ist dieses Buch daher für den Unterricht im Ethik-, Religions- oder auch Deutschunterricht. Schüler*innen ab Klassenstufe 6 können sich mithilfe dieses Buches einen Einstieg in die Thematik Flucht, Fremdenfeindlichkeit und Migration verschaffen. Denn die Erzählung von Wieke und Ken könnte jederzeit passieren, sie offenbart feinfühlig die Gefühlswelt beider Kinder ohne zu Verurteilen. Dazu ist das Buch so flüssig und bewegend geschrieben, dass man es schnell durchliest und die Lesenden dazu animiert, ihre eigenen Vorurteile und Denkweisen zu hinterfragen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 03.01.2022

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