Wie Frau B. so böse wurde ... und warum sie jetzt wieder nett ist

Autor*in
Sonja, Bougaeva
ISBN
978-3-7152-0677-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Sonja, Bougaeva
Seitenanzahl
24
Verlag
Atlantis
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Zürich
Jahr
2014
Lesealter
4-5 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Als Frau B. klein war, wurde sie von anderen Kindern geärgert. Die Mutter interessierte sich wenig für ihren Kummer. „Wasch dir die Hände“, sagte sie, „setz dich an den Tisch. Beim Essen wird nicht gesprochen.“ So blieb sie allein mit ihrem Kummer und wurde ein trauriges Kind, bis eines Tages alles anders wird.

Beurteilungstext

Als sie erwachsen ist, mag Frau B. keine Kinder. Sie hasst sie. Und Kinder, selbst Erwachsene, fürchten sich vor ihrem breiten Kopf ohne Hals und dem massigen Körper mit winzigen Füßen. Sie trägt Braun. Auch die strenge Mutter von damals trägt Braun mit Haar, dicht wie ein Schutzhelm. Die Farben wirken sehr gedeckt und schwer.
Frau B. hält den Schirm in die Luft, zum Schlag bereit. Äußerst gefährlich sieht das aus. Dazu ihr Gebiss, das aus einem doppelt langen Mund hervorblitzt. Es ist, als buchstabiere er ununterbrochen das Wort RACHE.
S. 12: „Sie ging zum Spielplatz, um dort bequemer Kinder zu hassen.“
Zunächst sieht man sie auf der Bank sitzen mit langgestreckten Armen und Stricknadeln, zum Aufspießen bereit. Da passiert etwas in ihr, als sie sieht, wie ein Kind von einem anderen geärgert wird. Eine traurige Frau B. sitzt da nun, die Stricknadelwaffen gesunken. Ein Gefühl ist plötzlich da, das ihr die Luft nimmt. Noch einmal erlebt sie, wie das war mit ihr, … als sie selber klein war und geärgert wurde.
Sie geht zu dem Kind, tröstet es und spielt mit ihm, freundet sich an und verbringt ab jetzt viele Stunden auf dem Spielplatz, backt Sandkuchen und fängt an, Kinder zu mögen. Frau B. verändert sich, ihr Mund ist geschlossen und freundlicher, kein böser Smiley mehr. Die Menschen um sie herum grüßen sie, statt ihr aus dem Weg zu gehen oder die Flucht zu ergreifen.

Sie spielt engagiert alles, was dran ist, Verstecken, fährt den Puppenwagen, der so aussieht wie ihrer früher. Sie baut eine riesige Sandburg. Die Spielplatzszenen wirken skurril. Die Spielzeuge, selbst das geärgerte Kind, sehen aus wie sie als Kind.

Dreimal tauchen Spatzen auf.
Auf der Mitte, Seite 12, noch vor ihrer Wandlung, blickt Frau B. aus dem Fenster und schimpft über den Lärm. Da, wo sie hinsieht, sitzen Spatzen in einem grünen Baum, sehr gesellig sieht das aus.
Und später, als sie böse auf der Bank sitzt mit den gezückten Stricknadeln, sitzen auch Spatzen in ihrer Nähe. Schließlich, ein drittes Mal, da, wo sie traurig zurückdenkt an ihre Zeit als Kind.

Ich habe das Buch mit Kindern der Stadtbücherei Eckernförde angesehen. Es waren neun Kinder zwischen drei und acht Jahren. Sie erklärten mir ungefragt, weshalb Frau B. so traurig wurde, als sie auf der Bank saß:
„Weil sie sich an früher erinnerte, wie sie als Kind geärgert worden war.“
Mich hat erstaunt, dass dieser Zusammenhang für die Kinder so klar war. Ich hätte darauf nicht hingewiesen.
Die Kinder brachten sich sehr ein in das, was sie sahen. Die Sparsamkeit und Klarheit der skurrilen Bilder von Sonja Bougaeva, dazu ihr knapper Text, ließen viel Raum, um über früher und heute, alt und jung und über eigene Erfahrungen zu sinnieren. Ich hatte die Kinder vorgewarnt, ihnen gesagt, es könnte sein, dass sie Angst kriegen würden vor der Frau B. Sie sollten es mir sagen. „Ich klappe dann zu“, sagte ich. Und am Ende sagten zwei Mädchen:
„Ja, ich hatte erst und zwar da, wo sie den Schirm hat. Aber dann musste ich über die Frau B. lachen. Die Angst ging ganz schnell vorbei.“
„Genau“, sagte das zweite Mädchen. „Die tut ja gar nichts.“

Wie gut, dass eine Frau B. sich mal traut zu sagen: „Ich hasse Kinder.“ Und wie gut, dass dieses Gefühl sein darf und es dabei nicht bleibt. Ein stimmiges Buch mit Witz und Sinn fürs Groteske, ein gelungenes Werk, das Jüngeren und Älteren etwas zu bieten hat.

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Diese Rezension wurde verfasst von G-KH; Landesstelle: Schleswig-Holstein.
Veröffentlicht am 29.03.2018

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