Wie ein Fisch im Baum

Autor*in
Hunt, Mullaly
ISBN
978-3-570-16420-4
Übersetzer*in
Weitbrecht, Renate
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
299
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Die elfjährige Ally musste auf Grund der vielen Umzüge der Familie jedes Jahr die Schule wechseln. Auch in der neuen Schule ist sie nach fünf Monaten den Lehrern ein Dorn im Auge. Sie besucht die sechste Klasse und muss irgendwie die Tatsache vertuschen, dass sie weder lesen noch schreiben kann, aber es wird zunehmend schwieriger für sie. Bis sie einen neuen Lehrer bekommt.

Beurteilungstext

Ally überspielt die Tatsache, dass sie nicht lesen und kaum schreiben kann, mit extrem aufmüpfigen Verhalten sowie Arbeitsverweigerung gegenüber den Lehrern, und ist somit Dauergast im Rektorat. Sie ist immer noch eine Einzelgängerin und häufig Zielscheibe der „Klassenkönigin“ Shay und ihren Freundinnen, denen es unwahrscheinlichen Spaß bereitet, Mitschüler, die nicht in ihr Schema passen, zu mobben. Ganz besonders auf Ally und Albert haben sie es abgesehen. Als ein neuer Lehrer die Klasse übernimmt, ändert sich einiges. Insbesondere Ally beginnt, Vertrauen zu ihm zu fassen. Der Lehrer erkennt ihre Legasthenie und ihre Hochintelligenz, und nach und nach bröckelt Allys Misstrauen weil sie merkt, dass der Lehrer ihr helfen will und kann. Sie freundet sich mit Albert und Keisha an, die bis dahin auch eine Außenseiterrolle innehatten, und gemeinsam gelingt es den Freunden zum Schluss sogar, Shay zu „entmachten“.
Allein der Titel des Buches erzeugt Interesse, ebenso das Cover: Ein junges Mädchen, von dem lediglich die untere Haarpartie sowie der Mund und die Nase zu sehen sind, den Rest bedeckt eine Wollmütze.
Empfohlen wird das Buch für die Altersgruppe ab zwölf.
Der Teufelskreis, in welchem Ally steckt, ist sehr gut beschrieben. Ihre Gefühlswelt, ihre Gedankengänge und ihre eigene Hilflosigkeit werden sehr realistisch und berührend geschildert. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen und sah mich beim Lesen häufig mitten im Klassenzimmer sitzen. Der Spannungsbogen wird im ersten Kapitel aufgebaut, erreicht im zweiten Kapitel zunächst einen Höhepunkt, indem Ally eine Trauerkarte nicht als solche erkennt und sie der schwangeren Lehrerin wegen der schönen gelben Rosen zum Abschied schenkt, und wird bis zum Ende des Buches hervorragend eingehalten. Auch die Mobbingszenen innerhalb der Klasse sind realistisch geschildert.
Der neue Lehrer geht pädagogisch genauso vor, wie ich es mir bei allen Lehrern wünschen würde. Dabei gelingt es ihm, nicht nur Ally, sondern auch andere Außenseiter der Klasse zu integrieren. Es gibt viele brisante Themen, die das Buch aufwirft, ausführlich behandelt und die zum nachdenken und diskutieren anregen: Legasthenie, Freundschaft, Mobbing sowie Toleranz und Verständnis, um nur einige zu nennen.

Trotz alledem kann ich das Buch nur bedingt empfehlen. Das Alter der Protagonisten, elf Jahre, passt nicht zum Erzählton. Allys zum Großteil philosophischen Gedankengänge, das Verhalten und die Antworten von Albert, die Ausdrucksweise der Kinder insgesamt und ebenso der „Zickenkrieg“ der Mobbingkönigin Shay entsprechen dem Denken und der Handlungs- sowie Redensweise von pubertierenden 14- bis 15-Jährigen, nicht der von Elfjährigen.
Es gibt noch weitere Dinge zu bemängeln. Aus meiner Sicht ist es unrealistisch in der heutigen Zeit, dass keine andere Lehrkraft bemerkt, was sich hinter Allys Verhalten verbirgt. Spätestens als sich Ally nach dem Vorfall mit der Trauerkarte bei der Direktorin auch weigert etwas vorlesen, was an der Wand steht, hätte dieser klar sein müssen, dass hier etwas nicht stimmt.
Wenn der neue Lehrer in Kapitel 31 Ally erzählt, dass er mit der Direktorin gesprochen hat, wenn Ally daraufhin getestet wird auf Legasthenie, dann ist es aus meiner Sicht nicht realistisch, dass die Direktorin in Kapitel 35 nichts weiß darüber, als Ally wieder einmal von einer Vertretungslehrerin ins Rektorat geschickt wird wegen Arbeitsverweigerung. Es sei denn, die gesamte Schule hätte arge Kommunikationsprobleme.
Auch die Tatsache, dass die Mutter, zu der Ally sowie auch ihr größerer Bruder ein sehr gutes Verhältnis haben, die ganzen Jahre nicht bemerkt, dass ihre Tochter sowie auch ihr Sohn nicht lesen und kaum schreiben können, ist aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich. Es sei denn, sie selbst wäre auch Legasthenikerin. Darauf deutet im Buch allerdings nichts hin.

Schade, dass diese für mich wichtigen Kriterien das gut geschriebene Buch mit aktuellen Problemen entwertet. Hier hätte man besser daran getan, die Altersgruppe der Protagonisten drei Jahre nach oben zu verlegen, dann wären vielleicht sogar mangelnde pädagogische Fähigkeiten bei einigen Lehrkräften sowie der Direktorin nicht so sehr ins Auge gefallen.

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Veröffentlicht am 24.01.2017

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