Wie die Zeit vergeht
- Autor*in
- Sanabria, José
- ISBN
- 978-3-314-10294-3
- Übersetzer*in
- Stöckli, Gabriela
- Ori. Sprache
- Spanisch
- Illustrator*in
- Sanabria, José
- Seitenanzahl
- 38
- Verlag
- Nord-Süd
- Gattung
- BilderbuchSachliteratur
- Ort
- Gossau
- Jahr
- 2016
- Preis
- 15,99 €
- Bewertung
Teaser
Sanabria erzählt in diesem Bilderbuch von sozialem Abstieg, von Vertreibung, aber auch von neuen Aufbrüchen und der Kraft der Eigeninitiative in der Gemeinschaft. Was nach Gesellschaftsroman klingt, ist in Wahrheit ein Bilderbuch, in dem in einfachen Worten aber sinnstiftenden Bildern erzählt wird.
Beurteilungstext
Wie bringe ich Gesellschaftskritik in ein Bilderbuch? Geht das, ohne dass der "pädagogische Zeigefinger" zu stark gereckt wird? Dass José Sanabria das kann, hat er schon in dem im Jahr 2011 in Deutschland erschienenen Bilderbuch "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" gezeigt. Durch seine Illustrationen hat er dort die gesellschaftskritischen Anteile in Andersens Märchen in den Mittelpunkt gerückt und deutlich sichtbar gemacht.
Jetzt ist das zweite Bilderbuch des südamerikanischen Illustrators in Deutschland erschienen, bei dem nicht nur die Bilder, sondern auch der Text von Sanabria stammt. Erzählt wird in drei Kapiteln: "Das Schiff", "Die Familie" und "Der Aufbruch". Im ersten Kapitel wird der Abstieg eines herrschaftlichen Schiffes erzählt, vom Luxuskreuzfahrtschiff bis zum Schiffsfriedhof. Im zweiten Kapitel wird vom sozialen Abstieg einer Familie erzählt, die immer wieder umziehen muss, bis sie schließlich obdachlos wird. Wenig überraschend ist, dass die Familie nun auf das Schiff stößt, dort einzieht und dieses wieder seetauglich macht.
Erzählt wird in kurzen Sätzen, nur das Nötigste, ein Handlungsgerüst. In den ersten beiden Kapiteln bildet jeweils eine Doppelseite eine Stufe des Abstiegs, im dritten Kapitel ist es jeweils eine Stufe des Aufstiegs. Wesentliches Element im dritten Kapitel ist allerdings nicht nur der Aufstieg, sondern die Solidargemeinschaft, in der das gelingt, denn es tun sich unterschiedliche Menschen zusammen, denen die Armut gemein ist.
Der Text an sich ist somit recht wenig spannungsreich. Interessant wird er in Zusammenhang mit der Bilderzählebene. Flächige und fleckige Hintergründe geben Bildstimmungen wieder. Die Inszenierungen setzen individuelle Impulse auf das zentrale Sujet des Erzählten. Auf dem ersten Bild sind es die "wichtigen Leute" mit interessanten Hüten aber misepetrigen Gesichtsausdrücken. Auf dem zweiten Bild sind es die transportierten "schweren Lasten", in der Mehrzahl Verkehrsmittel wie Lokomotiven, Autos oder ein Flugzeug usw. Spannend ist, dass auf dem ersten Bild des zweiten Kapitels die Positionen der Personen vom ersten Bild des ersten Kapitels nahezu identisch wieder aufgenommen werden. Nun nicht auf dem Schiff, sondern auf einer Wohnetage. Zum Teil sind es offensichtlich die gleichen Personen, andere sind ausgetauscht, stehen jedoch in den gleichen Positionen und Posen. Während in den ersten beiden Kapiteln die Menschen unzufrieden wirken, auch, wenn es ihnen gut geht, sind sie im dritten Kapitel fröhlicher und zufriedener. So macht es Spaß, in den Bildern auf Entdeckungstour zu gehen, sich Details zu widmen und durch das Buch hindurch einzelne Figuren oder Gegenstände zu verfolgen. Diese Vielfalt gibt dem kargen Text einen bunten Kontrast, weist über ihn hinaus, so dass Text und Bild ein interessantes Gesamtwerk ergeben.
Christoph Jantzen, AJuM Hamburg