Wer morgens lacht

Autor*in
ISBN
978-3-407-81143-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
255
Verlag
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
Weinheim Basel
Jahr
2014
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
17,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die 23-jährige Biologiestudentin Anna lebt in Frankfurt in einer WG und sie belasten Erinnerungen an ihre seit 7 Jahren vermissten Schwester. Ihr wird bewusst, dass sie sich den verdrängten Erinnerungen an die Umstände ihres Verschwindens stellen muss.
Es beginnt eine Auseinandersetzung über ihre Kindheit, die Familiensituation, die Konkurrenz mit der Schwester, begleitet von einer Reflexion über Erinnern und Erinnerungsarbeit.

Beurteilungstext

Der Roman endet, als der Ich-Erzählerin Anna nach wochenlanger Erinnerungsarbeit bei einem Besuch bei ihren Eltern die Schwester Maria erscheint. Sie reden darüber, warum sie die Forderung Marias, sie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abzuholen, an den Vater nicht weitergegeben hat. Das war der letzte Kontakt. Anna kann im Rückblick auch die positiven Seiten der geschwisterlichen Beziehung zulassen. So phantastisch dieser Abschluss erscheint, er ist eher ein Bild, sich den unterlassenen Handlungen zu stellen und in folge auch eine neue Sicht auf die Schwester zulassen zu können und sich mit dem Geschehen auszusöhnen.
Bis dahin muss sich Anna aber mühsam vorarbeiten. Sie berichtet in immer neuen Anläufen über ihre Kindheit, der komplizierten Beziehung in der Familie, der Konkurrenz zur Schwester.
Vorangestellt und kursiv gedruckt wird immer wieder über das Erinnern, deren Subjektivität, der Sperrigkeit, des Verschieben der Wirklichkeit, der zeitlichen Einordnung reflektiert.
Es gelingen differenzierte Bilder und Szenen der Familienbeziehungen, zum Beispiel zu der Großmutter, die sich vorwiegend um die Kinder kümmert. Von dem Kind Anna wird sie geliebt und nicht hinterfragt, in der Distanz erscheint sie aber zwiespältiger. So bringt sie den Kindern zwar Gärtnern, Stricken und Vieles mehr bei, isoliert sie aber auch und vermittelt eine ängstliche Weltsicht (Titel). Sie hängt als Vertriebene an ihrer alten Heimat und hat ein schwieriges Verhältnis zur Tochter, der Mutter der Ich-Erzählerin, aber diese Sicht stellt sich erst ein, als Anna in der Lage ist, mit der Mutter darüber zu reden. Und die gewandelte Sicht hilft auch neue Beziehungen zu den Eltern zu entwickeln.
Die Schwester Maria war hübsch, eigenwillig und konnte sich nach Ansicht von Anna immer durchsetzen. Sie hatte die Beachtung der Familie und Anna fühlte sich weniger geliebt, sie ist angepasst, hilft. Sie drückt dieses in dem Bild der umgekehrten Pechmarie aus: sie ist fleißig und ohne Beachtung, während sie die Schwester als Goldmarie faul und im Glück sieht. Sehr viele Episoden stützen die Sicht der Bevorzugung der Schwester. Auch hier muss eine zweite Sicht mühsam erarbeitet werden. So hat die 16- jährige Maria Baldriantabletten geschluckt, die Familie ignoriert die Warnung des Arztes, es sei ein Hilferuf, die einer therapeutischen Bearbeitung bedürfe. Anna sieht darin nur den Willen der Schwester, ihre Wünsche ( Moped) mit Gewalt durchzusetzen. Erst langsam wird deutlich, wie gefährdet die Schwester schon immer war, deshalb auch die größere Aufmerksamkeit der Eltern, die mit der psychisch kranken Tochter überfordert waren Anna erhält bei der Erinnerungsarbeit die Unterstützung durch das Zusammenleben in der WG, insbesondere der Mitbewohnerin Ricky, einer Psychologiestudentin, die durch Einfühlung und vorsichtige Fragen weiterhilft und zu der sie dann eine Beziehung entwickelt.

Der Roman hat noch weitere Ebenen, wie den Einfluss von Geschichte und wirtschaftlicher Situation auf das Familienleben. Mirjam Pressler gelingt es die verschiedenen Ebenen des Roman gut zu verknüpfen und vor allem den Prozess von veränderter Wahrnehmung herauszuarbeiten und zu zeigen, dass so auch ein Neuanfang in den Beziehungen gelingen kann. Nicht zuletzt ist die Geschichte auch einfach gut erzählt. Der Roman ist für leseerfahrene Jugendliche geeignet und zu empfehlen, aber ich würde ihn nicht als eigentlichen Jugendroman charakterisieren.

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Diese Rezension wurde verfasst von P-J.
Veröffentlicht am 01.01.2010