Wenn er kommt, dann laufen wir

Autor*in
Klass, David
ISBN
978-3-401-05898-6
Übersetzer*in
Ernst, Alexandra
Ori. Sprache
Amerikanisches Engli
Illustrator*in
Seitenanzahl
325
Verlag
Arena
Gattung
Krimi
Ort
Würzburg
Jahr
2006
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei Brüder stoßen aufeinander, der eine will der Böse, der andere der Gute sein. Der eine kommt aus dem Gefängnis, der andere sieht dadurch sein Renommée in der Kleinstadt gefährdet. Es kommt zu der großen Katastrophe, aber zu keinem wirklichen Ende. Ein spannender Krimi, der die Doppelmoral einer Kleinstadt aufzeigt.

Beurteilungstext

Die Konstellation ist spannend: Eine heile Familie erwartet den gar nicht verlorenen, vermissten Sohn, den älteren Bruder des Ich-Erzählers zurück: Er ist der verurteilte, wegen Mordes zu lebenslanger Haft einsitzende und überraschend wegen Verfahrensfehler freigelassene Mörder. Und was tut die Familie? Sie nimmt ihn auf, wie wenn er nie weg gewesen wäre, auf einmal sind alle Fotos wieder in den Fotoalben, aus denen sie zuvor entfernt worden waren, das Alltagsleben wird nicht verändert - aber der Ich-Erzähler hat Angst, vor dem Bruder, der schließlich Mörder ist, davor, dass die Nachbarn, Mitschüler, Freunde erfahren könnten, was für einen Bruder er hat. Aber keiner spricht mit diesem Troy, nicht die Eltern, nicht der jüngere Jeff. Und der (mindestens der deutsche) Leser stößt immer wieder auf diese Reaktion: Darüber spricht man nicht. So ist es kein Zufall, dass in Jeffs Schule ein Mitschüler einem anderen einen Streich spielt, der zum Ausschluss beider führt, ein ernsthaftes Gespräch darüber aber nirgends geführt wird. Die Lehrer und Trainer sind wütend, halten Standpauken, die Jungs sind betroffen - aber keine wirkliche Auseinandersetzung findet statt.
Ein Mitschüler verschwindet, Troy wird sofort verdächtigt, zumindest daran beteiligt zu sein; besonders sein “kleiner” Bruder hat den Verdacht, kann ihn aber nicht begründen.
Die Kleinstadtidylle bricht darüber zusammen. Der Autor zeigt, wie brüchig die Moralfassade der Protagonisten ist.
Für problematisch erachte ich allerdings die Fortsetzung der beschriebenen Handlung: Nicht nur die Fassade bröckelt, sondern es bleibt dabei, wer einmal böse ist, der bleibt es auch. Das Böse selbst ist in einem Menschen verankert, wie auch das Gute. Der junge Ich-Erzähler will das Bigotte der Familie angreifen, kommt aber nicht dagegen an, die Mutter zerbricht an ihrem Sohn; deren mühsam mit Tabletten aufrecht erhaltenes Hausfrauenleben endet in der Klinik.
Aber eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem “Bösen” vermisse ich. Jeff schreibt einen Aufsatz darüber, er beschränkt sich aber auf eine pseudophilosophische Definition, die psychologische Komponente fehlt vollkommen. Troys Kriminalität wird nur halbwegs von ihm erklärt, weder der Vater noch die Mutter lassen auch nur einen Hauch von Reflexion erkennen. Mir wird hier am deutlichsten, woher das “Coolsein” stammt: aus dieser bigotten Doppelmoral, alle Fehler der Welt auf “Gottes Willen” zurückzuführen, man selbst kann nichts ändern, schon gar nicht im Nachhinein. Und darüber reden kann man auch nicht, weil das einen Angriff auf das eigene Selbstverständnis darstellte.
Übrig bleibt - neben einem wirklich spannenden Krimi -, dass die Welt so ist, wie sie ist. Fatalismus ist ein anderes Wort dafür. Kaum einer der Leser wird mit einem jugendlichen Mörder konfrontiert werden, Kriminalität ist aber etwas differenzierter zu betrachten. Sich aktiv gegen Gewalttätigkeit einzusetzen hat zwar seine Grenzen, jemanden aber deswegen grundsätzlich zu verurteilen, nie zu akzeptieren, dass der Mensch lernfähig ist und manches Mal nur eine Handreichung braucht, um sich aus dem Verhängnis heraus zu ziehen, will ich nicht hinnehmen.
Und das halte ich als Lektüre für Halbwüchsige nicht akzeptabel.
Für Erwachsene allerdings stellt der Roman einen guten Krimi dar, der Leser folgt gebannt dem Ich-Erzähler, der dem Täter nur deshalb auf den Fersen bleibt, weil er ihm nicht nur familiär, sondern auch geistig verwandt ist. So kann er schließlich den Fall klären, ohne aber eine Katastrofe verhindern zu können.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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