Waterloo & Trafalgar

Autor*in
Tallec, Olivier
ISBN
978-2-08-126850-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Tallec, Olivier
Seitenanzahl
58
Verlag
Èdition Flammarion
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Paris
Jahr
2012
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Da hat man keine Worte? Da braucht man keine Worte! Der Titel verwirrt ein bisschen, denn wir haben es weder mit Napoleon zu tun noch mit einer See- und einer Landschlacht zu Beginn des 19. Jahrhunderts, sondern mit zwei Menschen, die sich misstrauisch beobachten, weil der jeweils andere ganz bestimmt etwas Böses gegen ihn vorhat. Ein Lehrstück in Sachen Deeskalation für Kinder wie für Erwachsene.

Beurteilungstext

Der Einband gibt durch zwei runde Löcher den Blick frei auf zwei ähnlich gekleidete Männer, einer blau vor orangefarbenem Hintergrund, der andere orange vor blauem Hintergrund. Beide schauen durch ein Monokular. Zunächst wird uns der orangefarbene vorgestellt: Wir sehen ihn mit einem Gewehr. Er notiert sich etwas, das er offensichtlich beim Schauen hinter seiner Mauer beobachtet hat. Das wissen wir aber erst nach dem Umblättern, denn da sind beide zu sehen. Jeder steht hinter seiner Mauer, nicht weit entfernt voneinander, aber deutlich durch einen Wiesenstreifen getrennt. Die beiden stehen und schauen, warten, beobachten, trotzen dem Regen, dem Einbruch des Winters, der Erkältung, dem Erwachen der Natur im Frühling. Ihr Alltag hält Einzug. Man wäscht seine Wäsche und hängt sie zum Trocknen auf, man kocht sich heißen Tee, putzt sich die Zähne, legt sich zum Schlafen.

Aber immer wieder wird die Normalität unterbrochen, provozieren sich die beiden gegenseitig. Die Seiten des Buches machen das mit, zwei sind geteilt, wie es wohl die beiden Männer auch sind. Sie wissen offensichtlich nur, dass die Lage "schon immer" so war, vergaßen aber wohl längst den ursprünglichen Anlass, den wir auch nicht kennen. Wir sehen nur, was als Provokation angesehen wird, den Grimm, das Gefuchtel, Geschrei, die Drohung, Aktion und Reaktion. Immer aber sind sie räumlich getrennt, die beiden hinter ihrer Mauer, zwischen ihnen der Streifen Natur, den es oft zwischen Grenzen gibt, den man "Todesstreifen" nannte zwischen der DDR und der BRD.

Wie die beiden zueinander finden und was der blaue Vogel mit seinem Ei damit zu tun hat, darf natürlich hier nicht verraten werden, auch nicht, wie die Landschaft in Wirklichkeit aussieht, wenn wir aus den kleinen Ausschnitten von Orange nach Blau oder von Blau nach Orange nach oben heraus zoomen, das "Ganze" sehen, wie die beiden ihre Scheuklappen verlieren, ihren Fokus auf die je andere Seite. Das überrascht nicht nur, sondern zeigt, wie intelligent die Geschichte aufgebaut ist, wie wir - wie die beiden Männer - kleingeistig gehalten werden von den Bildern und uns gar nicht überlegen, wie es wohl aussehen mag außerhalb dieser schmalen Sichtwelt.

Olivier Tallec zeichnet bewusst einfach. Auf einigen Seiten bringt er gleich neun Bilder unter, ein kleiner Schatten schafft Raum, eine Linie Bodenfläche, wenige Striche die Mauer mit Sichtmauerwerk. Einer der beiden Männer trägt einen Schnurrbart, beide haben nur selten und nur dann einen Mund, wenn sie ihn wirklich brauchen. Sehr selten zum Lachen, mehrmals zum Schreien oder Ärgern. Die wenigen Blumen auf der Grenzwiese sind hier orangefarben, dort blau, in der Mitte nur mit Bleistift gezeichnet.

Die Reduktion in den Bildern lenkt unseren Blick umso mehr auf den Alltag und das Unverständnis der Unversöhnlichkeit, die aus der Haltung der Männer sowie ihren Handlungen spricht. Zwischendurch benehmen sie sich fast "normal", bevor eine Kleinigkeit zu einer Provokation führt, die wiederum eine Eskalation zur Folge hat, fast zu einem "heißen" Krieg.

Erwachsene können sicher sofort auf diverse Konfliktherde auf der Erde hinweisen, die genau auf diese Geschichte passen. Kinder werden sich auf ihre kleinen oder größeren "Feinde" im Kindergarten und in der Grundschule sehen, auch wenn sie die eigene Rolle wohl nicht in einer der Figuren sehen (wie ebenfalls die Verantwortlichen in den genannten Regionen), das Ende jedoch wird beide, wird alle sehr nachdenklich machen. Wie konnte es dazu kommen, dass wir das alles durchmachen mussten? Wie konnte es dazu kommen, dass so unerwartet diese Lösung uns die Augen öffneten? Wir sehen sogar noch mehr, dass nämlich die beiden - im Gegensatz zu uns - immer noch nicht "über ihren Tellerrand" schauen. Können.

Der Bezug zu zwei großen Kriegsschlachten zwischen Frankreich und England, der sich im Titel "Waterloo & Trafalgar" andeutet, führt zu einer Verengung der Sichtweise dieser Geschichte und ist für Kinder gar nicht, für Erwachsene wohl nur kaum präsent. Mag die französische Produktion des Buches auf ein Trauma zu England hinweisen, ein anderer deutscher Titel sollte aber zu finden sein.

Zum Schluss noch eine ganz unauffällige Kleinigkeit, die die Liebe bei der Produktion des Buches zeigt, zum Schluss: Auf einer Seite sind die Sternenformen durch gestanzt, sodass sie die Farbe der voran gegangenen wie der nachfolgenden Seite aufnimmt. Dort sind extra zwei Sterne orange gefärbt, damit sie die Farbe durch die Löcher liefern.

Ein mutiges, wichtiges und sehr eindringliches Buch mit großem Nachhall.





p.s.
Kap Trafalgar in Südspanien 1805 (GB vs F+E Versenkung der Armada, GB als Seemacht) / Waterloo in Belgien 1815 (Koalitionsarmee GB, NL, Hann, BS, Nassau + Preußen vs F Napoleons Niederlage)

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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