Warum die Menschen keinen Frieden halten 1

Autor*in
Staguhn, Gerhard
ISBN
978-3-446-20706-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
257
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2006
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Krieg gehört auf die Welt wie der Mensch selbst. Ist es so? Diese Frage und warum die Menschheit seit tausenden von Jahren keinen dauerhaften Frieden halten kann untersucht Gerhard Staguhn in seinem neuen Buch.

Beurteilungstext

Gerhard Staguhn ist Germanist und Religionswissenschaftler. Als solcher hat er bereits einige naturwissenschaftliche Bücher sowohl für Erwachsene als auch Jugendliche herausgebracht. Mit seinem Buch "Die Rätsel des Universums" stand bereits eine seiner Publikationen auf der Liste der Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Bekannt ist Staguhn für seine fundierten, fesselnd erzählten und leicht verständlichen Sachbücher. Dies beweißt er einmal mehr in seinem neuen Buch "Warum die Menschen keinen Frieden halten. Eine Geschichte des Krieges.".
Im Gegensatz zu seinem Buch über die Weltreligionen ("Gott und die Götter") scheint dieses Buch an ein noch jüngeres Publikum gerichtet zu sein. Bereits die Einleitung ist mit ihrer Bildhaftigkeit auch für kleine Leser verständlich. Staguhn vergleicht unseren Planeten Erde mit einem Raumschiff, dessen Besatzung für das Wohlergehen und die Sicherheit ihres Flugobjektes nur gemeinsam Verantwortung tragen kann und muss. "Eine Raumschiff-Besatzung kann auf ihrem Weg nur erfolgreich sein, wenn jeder für den Andern da ist. Denn es gibt kein Ersatz-Raumschiff, auch keine Möglichkeit, auszusteigen und zu Fuß weiterzugehen." Die auf unserer langen Reise anzutreffenden Außerirdischen haben - im Gegensatz zu der uns bekannten Menschheit - Glück gehabt: Der Schöpfer hat bei ihnen einen entscheidenden Aspekt "vergessen": den Aggressionstrieb. "Denn in Verbindung mit Intelligenz ergibt dieser eine gefährliche Mischung."
Die Grundfrage des Buches lautet: "Warum Krieg?" Wieso ist die Menschheit trotz ihres Wissens, ihres Reichtums, ihren Erfahrungen aus der Geschichte nicht in der Lage, Konflikte anders zu lösen? Staguhn nähert sich diesem Problem aus unterschiedlichen Richtungen. Er überprüft in unterschiedlichen Erklärungsansätzen die "Notwendigkeit" von Krieg.
Zum einen betrachtet der Autor die Grundlagen, welche der Spezies Mensch von der Natur gegeben sind. Dazu gehören für ihn auch die kulturellen Entwicklungen sowie der Einfluss der Religionen (Kapitel 1). Denn für Staguhn ist klar: "Darin besteht die ganze Tragik der menschlichen Existenz begründet: als ein Teil der Natur im Gegensatz zur Natur zu stehen und zu meinen, sich über sie erheben zu können."
Im zweiten Kapitel wirft Staguhn einen Blick auf die kulturgeschichtliche Entwicklung und Einordnung von Krieg. "Der Krieg als Spiel und Kunst" lautet das Thema und wir erhalten einen Überblick über den Status der kriegerischen Auseinandersetzungen zu Zeiten der Griechen und Römer. Darüber hinaus weist der Autor jedoch auch auf die "spielerischen" Wurzeln in der Entwicklung eines Jungen in unserer heutigen Gesellschaft hin. Einen Kontrast zu der westlichen Art der Auseinandersetzung mit Konflikten bildet die fernöstliche Tradition der Samurai. Hier ist der Kampf eine Kunst wie die Malerei oder die Musik. Die Grundfrage ist eine andere. "Was habe ich zu tun, um mit meinen Ideen und Aktionen zum Erfolg zu kommen?" Dabei geht es nicht um die Unterwerfung des Gegners. Im Gegenteil: "Die Armeen der anderen ohne Kampf zu besiegen, darin liegt das höchste Geschick.(...) Der Sieg wird dem Sieger überhaupt nur dann zum Vorteil gereichen, wenn er ohne Zorn, Habgier, Ehrgeiz oder gar Rachsucht geführt wird, sondern nüchtern, zurückhaltend, ruhig und gelassen." Sun Tsu hieß der chinesische Philosoph (5. Jahrhundert v. Chr.), dessen Werk über "Die Kunst des Krieges" nicht nur für den großen Kampf zwischen den Armeen gedacht war, sondern sich auf alle zwischenmenschliche Bereiche des Handelns anwenden ließ. Wie sehr sich die Einstellung zum Kampf von dem der westlichen Welt unterschied, zeigt auch die Tatsache, dass China zwar über Sprengstoff verfügte, diesen jedoch nur zum friedlichen Gebrauch, niemals aber in kriegerischen Auseinandersetzungen verwendete.
Der westliche Teil der Welt verarbeitete den Krieg in anderer Form "künstlerisch": Literatur, Malerei und auch die Architektur setzten sich mit ihm auseinander. Das Schach als strategisches Kriegsspiel ist noch heute eine beliebte Beschäftigung. Doch gerade der Bereich "Spiele" beunruhigt Gerd Staguhn: "Die große Anziehungskraft des Krieges - in seiner spielerischen Form - zeigt sich heutzutage vor allem in der Welt der Computerspiele. (...) Die Empfindsamkeit für Gewalt nimmt langsam ab. Unter dem Deckmantel des mythischen Kampfs der Guten gegen die Bösen wird jedes Kampfmittel zum heiligen Mittel, das nicht weiter hinterfragt werden muss." Dabei bleiben Gefühle wie Mitleid, Schuld, Reue, Rücksicht, Angst vor Strafe oder Werte wie Gerechtigkeit oder das Aufrechterhalten der sozialen Ordnung immer weiter in den Hintergrund gedrängt.
Und so geht es weiter: Religion, Wissenschaft - der Autor beleuchtet dieses menschenverachtende Phänomen unserer Erde aus jedem nur denkbaren Blickwinkel. "Zwischenstücke" über den Dreißigjährigen Krieg, den Ersten und Zweiten Weltkrieg erklären an historischen Beispielen wie Kriege entstehen. Die unterschiedlichen hinter den Kriegen steckenden Motivationen werden betrachtet. Was ist ein kolonialer, ein totaler, ein Bürgerkrieg? Was steckt hinter dem Begriff Terrorismus?
Schritt für Schritt zerlegt Gerhard Staguhn dieses unbegreifliche Phänomen unseres Dasein. Gerne würde er am Ende seines Buches einen beruhigenden, einen mutmachenden Ausblick ermöglichen. Jedoch, so fürchtet er, wird das abschließende Kapitel mit dem Titel "Der Krieg und der Frieden" "etwas dürftig ausfallen." Noch heute geht es bei den geführten Kriegen meist um "den Futterplatz", um Land, Bodenschätze und Märkte. Diese Gier des Menschen scheint nicht ausrottbar. "Man muss die Sache mit dem Frieden ganz nüchtern und illusionslos sehen: die Welt ist so, dass man den Frieden in ihr zum Teil mit gewaltsamen Mitteln durchsetzen muss." Der Weltfrieden bleibt eine Utopie, die Waffe ein "Friedensmittel".
Doch es gibt einen Weg, wie wir uns der Utopie Frieden zumindest annähern können: "Gefragt ist der alltägliche Friedensdienst von uns allen. Gefragt ist die Erziehung zur Demokratie, wobei das nur ein anderes Wort ist für Kompromiss. Wer die eigene Position für die absolut richtige hält, wird immer dazu neigen, sie mit Gewalt durchzusetzen. (...) Kriege werden nicht dadurch besser, dass man sie zu heiligen Kriegen erklärt."
Und dann lässt sich Gerhard Staguhn doch noch zu einem hoffnungsvollen Gedanken hinreißen: "Wenn man schon das Wort ‚heilig' bemühen muss, dann sollte man es im Zusammenhang mit dem Wort Frieden tun. Der ‚heilige Friede' ließe sich im Grunde ganz einfach erreichen; er ist überall dort, wo die Menschen anerkennen, das der Andere anders ist."
Wie "Gott und die Götter" ist auch dieses Buch ein Aufruf zur Toleranz, zum Mut und der Kraft das Andere zu akzeptieren. Viele Sätze erinnern beim Lesen an die Auseinandersetzung des Autoren mit den Weltreligionen. Und so ist es ein Satz aus eben jenem Buch, der einem hier wieder in den Sinn kommt: "Gewaltlosigkeit ist vielleicht der einzige Fundamentalismus, der einer taumelnden Welt noch halt geben kann."


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Diese Rezension wurde verfasst von ar.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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