wake up

Autor*in
Theisen, Manfred
ISBN
978-3-414-82330-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
188
Verlag
Boje
Gattung
Ort
Köln
Jahr
2012
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Josh ist fasziniert von Filinto, der souverän mit PC und Handy schier alles erreicht, was man sich nur vorstellen kann. Der dunkle Exot bezirzt zudem seine Freundin Frederike, was er allerdings weniger begeisternd findet. Zusammen wollen sie endlich etwas in Gang setzen, was zur Abschaltung aller AKWs führt. Sie setzen die Öffentlichkeit unter Druck. Als Filinto aber ein AKW abstürzen lässt, bekommen die Freunde es mit der Angst. Ihr Freund zieht die Notbremse und verschwindet.

Beurteilungstext

Natürlich hoffe ich, dass die beiden beschriebenen Szenerien nicht so einfach von außen in die Katastrofe gelenkt werden können, wie es Filinto zeigt. Aber denkbar ist das Ganze schon. Robert Jungk beschrieb den Atomstaat als einen, der der Exekutive unbegrenzte Macht verleiht, Theisen zeigt auf, dass das Internet, von dem Jungk nur ahnen konnte, ganz andere, perfekte und erschreckende Varianten des Terrors liefern kann. Filinto ist seinen Freunden maßlos überlegen, er kommt auf Ideen, die ihnen niemals gekommen wären und geht mit einer skrupellosen Kaltblütigkeit vor, die nahelegt zu vermuten, dass er als empathieloser Mensch überhaupt nicht in der Lage ist zu unterscheiden, wo es sich um ein Spiel und wo um lebensbedrohliche Auswirkungen handelt. Menschenleben sind ihm egal, Hauptsache er erreicht das Ziel, das er erreichen wollte. Geradezu klassisch ist dabei, dass er nur am PC sitzt und gar nicht realisiert, was ein Super-GAU für die Menschen bedeutet, die in der Umgebung des AKWs leben. Auch wenn er das Ganze am Ende gerade noch rechtzeitig repariert, scheint er die Sache eigentlich nicht verstanden zu haben.
Seine Freunde sind in dem klassischen Konflikt gefangen, ihren Kumpel nicht verraten zu dürfen, obwohl sie die unendliche Gefahr richtig einschätzen können. Sie werden ihrer Entscheidung enthoben - aber auch sie unternehmen danach nichts, was Filinto in Zukunft daran hindern könnte, eine entsprechende Katastrofe erneut in Gang zu setzen.
Die Szenerie, die Theisen entwirft, scheint realistisch zu sein: junge Menschen, denen die Schule ziemlich egal ist, denen das folgenlose “Gelaber” ihrer Eltern auf den Senkel geht und ein junger Guru, der sagt, was Sache ist und zudem die absoluten Hacker-Qualitäten aufweist. Sie wachsen in einer vorbildlichen Ökosiedlung auf, ihre Eltern haben wichtige Positionen in der Ökowirtschaft und -forschung inne und reden nur, tun aber nichts dafür, dass nur noch “weiße Energie” (Sonne & Wind) genutzt wird, keine “schwarze” (aus der Erde kommende) oder Atomkraft mehr genutzt würde. Die Eltern und Lehrer, die Theisen hier auftreten lässt, sind wirklich zahme Tiger, lassen sich von ihren Kindern auf dem Kopf herumtanzen und unternehmen noch nicht einmal etwas, als die Halbwüchsigen für Tage weder in der Schule noch Zuhause auftauchen. Per Handy lassen sie sich zufrieden stellen. Oder wenigstens halten sie stille. Dass es andere Mittel gäbe, sich im Interesse der Kinder auch mal massiv durchzusetzen, ist außerhalb ihrer Vorstellung.
Gekonnt beschreibt Theisen, wie diese Kinder in dem Augenblick, in dem es wirklich auf sofortige und nachhaltige Entscheidungen ankommt, handlungsunfähig und orientierungslos sind. Da fehlt das Credo eines Erwachsenen. Dass letztlich (wie lange?) alles gut geht, ist nicht von ihnen abhängig.
Theisen inszeniert ein Drama, das hochdramatisch, glaubhaft und bedrohlich ist. Derlei Problematik muss wirklich durchdacht werden. Zu welch abstrusen Fähigkeiten begnadete Hacker in der Lage sind, erfahren wir staunend allenthalben. Da ist es wirklich nur eine Frage der Zeit, wann das einmal Auswirkungen bekommen kann, die wir uns lieber nicht vorstellen.
Nur in einem Punkt erscheint mir Theisens Konstruktion nicht gelungen. In jungen Menschen sind unwillkürliche Barrieren eingebaut, das Leben ist nicht so geradlinig in den Abgrund führend. Und hier werden die Halbwüchsigen zu konstruiert in die Szenerie geführt, zu schnell von etwas überzeugt, das nicht wirklich überzeugend ist. Die ersten sechzig Seiten dienen der Vorbereitung des Lesers auf das gezielte Katastrofenszenario - und das ist nicht sehr glaubwürdig konstruiert.
Und dass der Motor der ganzen Entwicklung ausgerechnet ein Brasilien-Deutscher sein muss, gewissenlos, empathielos, borniert und fanatisch - was hat den Autor denn da geritten? Tun Deutschstämmige so etwas nicht?
Aber sonst: Hoffen wir, dass derlei nie realisiert werden kann. cjh12.05

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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