Vor meiner Tür auf einer Matte

Autor*in
Nadia, Budde
ISBN
978-3-7795-0539-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Nadia, Budde
Seitenanzahl
32
Verlag
Peter Hammer Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Wuppertal
Jahr
2016
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
15,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Auf zweiunddreißig Bilderbuch-Seiten sehen die Betrachtenden dem Besuch einer beeindruckenden Ratten-Persönlichkeit zu. Ihr Freund ist ein Menschenmann und sehr viel kleiner als sie. Sie tragen die gleiche Frisur, blond. Teils von der Ratte weg-gequetscht auf seinem Kanapee liegend, teils genervt, von ihr verdrängt. Die Ratte, übergriffig, unersättlich und tölpelhaft, marschiert durch das Buch. Auf der Mitte endlich geht es dem Mann zu weit.

Beurteilungstext

„Vor meiner Tür auf einer Matte steht jeden Tag die blonde Ratte.“
So beginnt das Buch und so ist es auch. Ein Mann, halb so groß wie die Ratte, rollt die Augen, sagt aber nichts, wirkt genervt. Die Ratte füllt Haustür und Matte aus, an ihr ist nicht vorbei zu kommen. Größer, schwerer und plumper als er, quetscht ihn beiseite, betritt als erste seine Wohnung. Sie spielt Klavier, schlüpft in seine Pantoffeln, frisst den Kühlschrank leer, zerbricht Geschirr. Der kleine blonde Mann erträgt es, rollt die Augen, sagt nichts.

Unglaublich witzig gemalt und erzählt, so selbstverständlich und zurückhaltend die Sprache von Nadia Budde, die über dieses Paar erzählt. Die Ratte, stets entspannt, der Mann höchst angespannt und resigniert, so scheint es. Wie sich alles, was der blonde Mann mit der blonden Ratte erlebt, in seiner Mimik ausdrückt! Wie er als dünner Strich, auf seinem Kanapee ausharrend, neben ihr liegt! Sein endloses Schweigen, seine aufgeräumte Wohnung, die altväterliche Ansammlung von Hausschuhen aller Sorten, in Mausform, teils aus Rattenfell (?).
Das Verhalten der Rattenpersönlichkeit wirkt anfangs enorm übergriffig, chaotisch, laut und Geschirr geht zu Bruch. Eines Tages geht es ihm zu weit, da quetscht sich die Ratte tatsächlich in seine Schlafanzughose rein, sein Hosenbein reicht ihr gerade mal bis zum Ellenbogen.

Und die Ratte lässt sich nicht mehr blicken. Das macht den Mann aber keineswegs glücklich, und groß ist die Freude, als sie zu ihm zurückkehrt. Jetzt wird es ruhiger zwischen ihnen, sie sitzen beisammen, gesittet reden sie, essen, sitzen beieinander. Platzmäßig schneidet der Mann in seinem Bett nicht wesentlich besser ab als früher, aber zufriedener scheint er zu sein mit dem Bett-Viertel, das sie ihm zugesteht; denn die blonde Ratte ist zu ihm zurückgekehrt.

Die Ratte von Nadja Budde ist so groß wie der Widerwille gegen Rattentiere in unserer Gesellschaft. Solange es sich nur um eine Maus handelt, die uns zu nah kommt, ist die Not nicht groß, nur lästig. Wenn aber das Wort Ratte auftaucht, wird es ernst.
Ihr Buch aber macht Lesenden mit der Ratte auf schöne Weise vertraut. Sie ist so unverstellt, nimmt ihren Platz in seinem Haus ein, so selbstverständlich und ohne Skrupel.
Eine wunderbare Satire, die von sehr jung bis sehr alt zu verstehen ist und Freude macht, ein tolles Werk auch für Kleinkinder, weil das Satirische in dieser Geschichte nirgends bösartig wirkt.
Sogar für Paarberatung verwendbar, in der dem Mann ein Licht aufgehen könnte, wenn er sieht, er ist blond wie sie. Schön, wie diese Zwei in einer Weise zusammen sind, für die es keine Vorbilder gibt. Da können Junge und Ältere nur staunen und überrascht sein. Niemand kann sagen, dass sie irgendetwas falsch machen oder anders machen müssten, weil niemand Erfahrung hat mit einer so speziellen Beziehung, das ist einfach Neuland und die Zwei machen alles richtig. Ein Buch, das das Bewusstsein erfrischt und es lachend öffnet für neue Modelle des Zusammenlebens.

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Diese Rezension wurde verfasst von G-KH; Landesstelle: Schleswig-Holstein.
Veröffentlicht am 04.07.2020