Vom einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte: Traurige Balladen

Autor*in
Simm, Alex
ISBN
978-3-947106-06-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Otté, Cora
Seitenanzahl
104
Verlag
Satyr
Gattung
LyrikTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüre
Preis
11,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Herrlich, welche gedanklichen Umwege innerhalb der Balladen gegangen werden, um Themen zu transportieren, die uns in der Tat angehen. Wunderbar zum Vorlesen geeignet - auch und vor allem vor jungen Erwachsenen.

Beurteilungstext

"Alle andern heißen Twinky / Flauschischnute, Schnupsidupsi / heißen Erdbeerflöckchen oder Stupsiglitzipupsi / Und wo diese Namen alle / nach Parfait mit Sahne klingen, / heißt das Emoeinhorn Erna. - / Das klingt mehr nach Zwiebelringen." Wenn ernste und traurige Themen so sprachgewaltig und witzig dargeboten werden, kann manchmal das Lachen im Schrecken befreien und manchmal erzeugt es Schauer auf dem Rücken. Wenn die Welt sich dem Glitzer verschreibt und alle schillernde Ressourcen verbraucht sind und rosa Einhörner bis zum letzten bejagt, dann hat das graue, unscheinbare Emoeinhorn eine gute Chance zu überleben.

Axel Simm nutzt die Form der Ballade mit vielen Strophen und zumeist dem End-Reimschema abcb, um sehr aktuelle Themen unseres Lebens zu transportieren: Ein Präsident mit blonden Haaren versprach: "Global warming is a lie." Oder: "Wir haben nichts gegenFremde - solange sie von hier sind." Oder: Eine fleischfressende Pflanze will Veganerin werden, was als Pflanze auch nicht unproblematisch sein dürfte.

Von seinen Lesern fordert der Autor mehr als einmal, dass diese wenigstens seinen Anspielungen oder Andeutungen zum Teil folgen können. Das gilt für Liedtitel oder zurzeit bekannte Comicfiguren, ein Schwanenhals, Kassandra oder Starbucks, Hipster oder Renditenprogression oder "Wachstum, Wachstum über alles". Und um eventuellen Neinsagern zu entgegen, sind die letzten beiden Worte des Buches "happy end" (auch wenn es kein "end" gibt, vielleicht aber ein Glücklichsein).

Alle Balladen werden von ganzseitigen Bildern eingeleitet, die ganz wenig an Jugendstil-Illustrationen erinnern und sich selbst so karikieren, wie es auch die Texte tun, also in dieser Mischung aus Ernsthaftigkeit, Sprachlust, verqueren Assoziationen, verstecktem wie offenem Humor und nicht zuletzt die Aufforderung, sich darüber zu freuen und vielleicht sich selbst einmal Gedanken zu machen. Das ist bestimmt nicht verkehrt.
Wer weniger lesen, gern aber zuhören möchte: Noch funktionieren die sechs Balladen-Links am Schluss des Buches, die man auch per QR-Code öffnen kann.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 18.09.2023