Völlig meschugge?!

Autor*in
Steinhöfel, Andreas
ISBN
978-3-551-79609-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Garanin, Melanie
Seitenanzahl
288
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Gerade waren sie noch die besten FreundInnen: Die Tierschützerin Charlie, Benny und Hamid, der 2015 aus Syrien nach Deutschland kam. Und dann knallt es: Benny trägt den Davidstern, den er von seinem Großvater geerbt hat und Hamid beginnt, ihn mit antisemitischen Beschuldigungen anzugreifen. Die Graphic Novel ist eine Vertiefung des KIKA-Drehbuchs von Steinhöfel.

Beurteilungstext

Andreas Steinhöfel ist kein Unbekannter, seine Bücher sind teilweise seit Jahrzehnten Teil des Kanons geworden. Mit seinem Drehbuch zu „Völlig meschugge“ für eine Kurzserie in KIKA im April 2022, das er zusammen mit Klaus Döring und Adrian Bickenbach verfasst hat, greift er aktuelle Themen auf: Antisemitismus, aber auch anti-muslimische und rassistische Konflikte, die sich zurzeit in deutschen Schulen breitmachen. In differenzierter Weise gelingt es ihm, komplizierteste Zusammenhänge für LeserInnen ab 12 deutlich zu machen, ohne dabei den pädagogischen Zeigefinger zu erheben.Die Graphic Novel ist aus der Perspektive von Charlie geschrieben, der Film übernimmt eher die Sichtweise von Hamid. Sie ist Vegetarierin und möchte die Welt verbessern, macht politische Aktionen, bei denen sie auch mal ganz alleine dasteht, ist aber eine mutige Kämpferin für ihre Ideen. Sie versteht die Welt nicht mehr, als sie merkt, dass sich ihre beiden besten Freunde Benny und Hamid gegenseitig beschimpfen. Beide haben unter Mobbing zu leiden, das durch unterschwellige Vorurteile und Ideologien befeuert werden: Hamid wird in der Schule sofort verdächtigt, als es eine größer angelegte Handy-Diebstahlserie gibt. Benny gerät dann in den Fokus, als er sich als Jude outet. Um ihn zu schützen, hatte seine Familie ihm bis zum Tod seines Großvaters vorenthalten, dass er Jude ist. Genau dieses Verhalten ist es, das den tiefsitzenden Antisemitismus unserer Gesellschaft entlarvt. Dabei wird im Comic auf der einen Seite der israelbezogene Antisemitismus aufgegriffen, der von Hamids Bruder ausgeht, der eher islamistischen Gruppierungen zuzuordnen ist. Zum anderen findet sich die Clique um Lennart, die Juden einfach als „Fremde“ ausgrenzt und die eher rechtsextremem Denken zuzuordnen ist. Gleichzeitig zu diesen „großen“ Geschichten von Ideologie finden sich aber auch individuelle Kämpfe: Es wird deutlich, dass das Mobbing von Jasmin oder Lennart eigentlich seine Ursachen im eigenen Opferdasein hat, das durch Machtumkehr nach außen gekehrt werden soll. Besonders spannend wird die Hilflosigkeit der Erwachsenen gezeigt, die vergeblich versuchen, zwischen den Gruppen zu vermitteln bzw. Erinnerungskultur aufzuarbeiten. Statt sich mit den emotionalen Konflikten der Jugendlichen auseinanderzusetzen, überfordern sie die ProtagonistInnen erneut, indem sie ihnen eine Klassenfahrt zu einem Konzentrationslager aufbürden. Der Comic ist auch literarisch spannend, denn die Erzählerpositionen ändern sich ständig: Mal wird mit einer personalen inneren Stimme gesprochen, mal gibt es einen Erzähler von außen, immer wieder richtet sich eine Figur aber auch direkt an die LeserInnen, schaut sie direkt an und fordert eine Stellungnahme. Auch die Zeichnungen der Berliner Illustratorin Melanie Garanin, die 2020 mit „Nils“, einem ergreifenden Comic über den Tod ihres Sohnes debütierte, sind besonders hervorzuheben, ihr gelingt es, die Figuren in ihren Charaktereigenschaften besonders plastisch herauszuarbeiten und vor allem auch Humor in die Story zu bringen. Witzigerweise kopierte sie die Mangas, die Hamid für sich zeichnet, um sich abzureagieren, von dem Berliner Manga-Künstler David Fülecki. Dieses Motiv des Zeichnens als Flucht vor der Realität gibt dem Comic noch einmal eine weitere Tiefe.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 17.06.2022

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