Virus. Wer aufgibt, hat verloren
- Autor*in
- MOUS, MIRJAM
- ISBN
- 978-3-401-60217-2
- Übersetzer*in
- Kiefer, Verena
- Ori. Sprache
- Niederländisch
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 280
- Verlag
- Arena
- Gattung
- –
- Ort
- Würzburg
- Jahr
- 2016
- Lesealter
- 12-13 Jahre14-15 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 12,99 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Kris und Hopper stranden nach einem Autounfall in einem entlegenen spanischen Bergdorf. Der Empfang der Dorfgemeinschaft ist alles andere als gastfreundlich; außerdem ist da diese dunkle mysteriöse Atmosphäre. Als dann noch eine tödliche Krankheit, verursacht durch ein unbekanntes Virus, ausbricht, scheint ein Entkommen kaum mehr möglich.
Beurteilungstext
Es ist ein klassischer Auftakt für einen Thriller: Zwei junge Menschen sind nachts auf regennasser Straße unterwegs, plötzlich läuft ihnen jemand vors Auto. Als sie aussteigen, können sie nur noch den Tod des Mannes feststellen. In ihrer Panik fliehen sie - nur um ihr Auto wenig später in einen Straßengraben zu setzen. Die weitere Flucht zu Fuß führt sie in ein abgelegenes spanisches Bergdorf, in dem eine mysteriöse Stimmung herrscht. Die Dorfbewohner zeigen sich wenig begeistert von der Ankunft der Fremden - und sie scheinen etwas zu verbergen. Einzig die schöne Anna ist aufgeschlossen und hilft dem sechzehnjährigen Kris und seinem ein paar Jahre älteren Cousin Hopper, die gleichermaßen unter ihrer Schuld wie unter der Furcht entdeckt zu werden leiden. Doch dann bricht eine tödliche Krankheit aus und droht sich wie eine Epidemie zu verbreiten. Kris und Hopper scheinen in Odrín festzusitzen.
Von der ersten bis zur letzten Seite lebt das Jugendbuch von seiner dichten Atmosphäre und bietet dem jugendlichen Leser hohe Spannung. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt und im Präsens dargeboten; dadurch ist die Erzählhaltung von einer gewissen Atemlosigkeit geprägt, die gut die Stimmung des Ich-Erzählers wiedergibt und die zudem zu einem Lesesog führt. Auch die Unsicherheit in der Beurteilung der anderen Figuren, ihres Charakters wie ihrer Motive, trägt zum Spannungsaufbau bei; insbesondere die Motive des Cousins Hopper sind nicht immer eindeutig erkennbar, so scheint seine Loyalität gegenüber Kris immer wieder in Frage zu stehen.
Dennoch ist eine gewisse Überfrachtung des Romans durch ‚problemorientierte Themen' zu kritisieren. Kris leidet am Tourette-Syndrom. Und obwohl das Abbild des spezifischen Krankheitssymptoms des unkontrollierten Denkens und Aussprechens von Flüchen, Beleidigungen oder auch einfach nur von unmotiviertem Blödsinn dem Text einen gewissen erzählerischen Reiz verleiht (etwa durch eingestreute Wortspiele) und daraus auch Komik entsteht (so durch immer wiederkehrendes Bellen und Muhen an den unpassendsten Stellen), bleibt die Funktion der Tourette-Erkrankung des Ich-Erzählers für die Handlung unklar. Unabhängig von der fehlenden Funktion für die Romanhandlung ist die Darstellung des Tourette-Syndroms inhaltlich wie erzählerisch gut gelungen. Kris wird als intelligenter, selbstreflexiver und sympathischer Jugendlicher dargestellt, womit deutlich gemacht wird, dass die Krankheit nicht mit geistiger Minderbemitteltheit einhergeht. Durch die neutrale Inszenierung der abwehrenden Reaktionen, die seine Tics in seinem Umfeld auslösen, wird zugleich Verständnis gegenüber dem anfänglichen Befremden geweckt. Ganz und gar unnötig erscheint dagegen der mehrfach erwähnte Krebs-Tod der Mutter.
Durch die Überfrachtung kommt es leider auch z.T. zur Verflachung. So tritt das Moment der Schuld zu stark in den Hintergrund; immerhin glauben Kris und Hopper einen Menschen getötet zu haben, dies spielt aber kaum eine Rolle. Auch die angedeutete Ambivalenz in der Figur des Cousins und (vermeintlichen?) Freunds Hopper hätte noch stärker herausgearbeitet werden können. Gleiches gilt für die bedrohliche Stimmung im spanischen Dorf und für das nur andeutungsweise thematisierte Verhältnis von Aberglauben und aufgeklärtem Denken in der traditionsbewussten Dorfgemeinschaft.
Freilich ist zu vermuten, dass die angeführten Kritikpunkte einen jugendlichen Leser nicht allzu sehr stören. Im Gegenteil kann angenommen werden, dass gerade die aufgezeigte Überfrachtung mit Problemen dem jugendlichen Lesebedürfnis nach einer Mischung aus Spannung und Problemorientierung nachkommt. In diesem Sinne kann auch die leitmotivisch wiederkehrende Schilderung der Tics als überzeichnete Darstellung typisch pubertären Lebensgefühls gesehen werden.
Fazit: Ein spannendes Lesevergnügen mit interessanten Protagonisten, einem unheimlich-geheimnisvollen Setting und einer überraschenden Wende am Ende.