Verrat im Weltall

Autor*in
Rivière, Laura
ISBN
978-3-7432-1258-9
Übersetzer*in
Reibert, Hanna
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Berthet, Théo
Seitenanzahl
192
Verlag
Loewe
Gattung
Science FictionTaschenbuch
Ort
Bindlach
Reihe
Among Us
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
9,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Oft genug, so wird gewarnt, verderben Video-Spiele Kindern und Jugendlichen den Appetit aufs Lesen. Was liegt dann näher, als ein Video-Spiel in ein Buch zu verwandeln, dessen Handlung durch Spielen nicht erzeugt, sondern durch Lesen erst erschlossen werden muss? Das könnte spannend werden.

Beurteilungstext

Das Science-Fiction-Video-Spiel „Among Us“ kann mit mehreren Teilnehmern gespielt werden, ist in der ganzen Welt verbreitet und hat im Laufe der Pandemie Furore gemacht. Die Autorin des Buches greift die Rahmenvorgaben des Spiels auf und macht in der Tat daraus eine aufregende Geschichte. V., der 20-jährige Ich-Erzähler, ist neu auf dem Raumschiff und verrichtet dort wichtige Arbeiten. In der Sprache, die dem lakonischen Ton von Jugendlichen nachempfunden ist, berichtet er von bedrohlichen Ereignissen auf dem Raumschiff.

Zwei Crew-Mitglieder kommen auf grausame Weise zu Tode. Entsprechend der für einen solchen Fall vorgesehenen Regel ermittelt die Crew den/die mutmaßliche Täter*in in einer geheimen Abstimmung, um diese Person dann durch Rauswurf aus dem Raumschiff dem sicheren Tod preiszugeben. Dieses Verfahren führt unweigerlich zu Konflikten zwischen den jeweils verbliebenen Crew-Mitgliedern. Durch das Auffinden einer dritten Leiche entsteht eine bedrohliche Aggressivität im Raumschiff.

Wie kamen die Crew-Mitglieder ums Leben? Handelt es sich um Mord durch einen seltsamen Virus? Sind hier womöglich Aliens mit im Spiel, die sich rächen wollen? Wer bleibt übrig, wenn noch weitere Morde passieren und die Regel weiterhin so unerbittlich angewandt wird? Diese und andere Fragen tragen die Handlung der Geschichte bis zum Schluss. Wenigstens so viel scheint klar zu sein: Der Ich-Erzähler kann eigentlich nicht der Mörder sein und überleben müsste er logischerweise auch.
Einen gewissen Reiz erhält die Erzählung dadurch, dass es anders kommt. Am Ende erwartet die Leser*innen eine überraschende Wendung - etwas für eingefleischte Lesemuffel.

Bedenklich jedoch ist die unhinterfragte Übernahme der Vorgaben von „Among Us“. Im Video-Spiel dient die Handlung nur als Ummantelung von Spielregeln, die alle Spieler zu Akteuren machen. Literatur hingegen schafft eine Welt, die die Leser nicht beeinflussen können. Sie erschafft und präsentiert uns Menschen, deren Leben und Leiden uns gefühlsmäßig anspricht und herausfordert. Gefühlsmäßige Dimensionen menschlicher Beziehungen haben in dieser Erzählung jedoch keinen Platz, wohl aber gruselige Schilderungen entstellter Leichen und Aggressionen, die sich in unreflektiert gewalttätigem Umgang miteinander äußern. Die ethische Seite der makabren (Spiel-)Regel, die einem angemessenen, menschlichen Umgang miteinander widerspricht, wird gar nicht erst thematisiert.

Bleibt die Frage, was den Sinn von Literatur ausmacht, wenn sie auf ihre spezifische Qualität verzichtet. Werden Jugendliche dann nicht eher das Original vorziehen? Hoffen wir mal, dass sie es nicht tun. Denn das Lesen ist und bleibt grundsätzlich eine Bereicherung, auf die gerade junge Leute nicht verzichten sollten.

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Diese Rezension wurde verfasst von Susanne Hoffmann; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 13.08.2022