Väter und Sohn

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Teaser

Der 12-jährige Paul besucht in den Sommerferien zum ersten Mal seinen Vater Ben in New York. Der hat Paul und seine Mutter verlassen, als Paul noch ein Kleinkind war. Erst nach einigen Tagen erfährt Paul, dass Ben schwul ist, und er ist stark verunsichert. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten raufen sich Paul, Ben und sein Parner Chuck zusammen und Paul hat “zwei Väter” in Amerika.

Beurteilungstext

Nina Schindler ist ein sehr einfühlsames Buch gelungen, in dem es nicht nur um Homosexualität geht, sondern auch um das allein Verreisen als Kind.
Mit sehr gemischten Gefühlen reist der Ich-Erzähler Paul nach New York. Einerseits freut er sich auf das bevorstehende Abenteuer und auf den Vater, an den er sich nicht erinnern kann. Andererseits hat er Angst vor der Trennung von seiner Familie und vor dem Vater, der Paul und seine Mutter damals im Stich gelassen hat. Pauls Vater wiederum geht es ähnlich. Er freut sich auf seinen Sohn. Aber er macht sich auch Sorgen, wie der auf seine Homosexualität reagieren wird und rückt erst nach und nach mit der Wahrheit heraus. Tatsächlich kommt es nach einigen Tagen zum Streit. Paul fühlt sich einsam und verlassen in der fremden Stadt und will nur noch nach Hause. Chuck wiederum ist das Versteckspielen um Pauls willen leid und zieht aus. Doch das Blatt wendet sich. Paul freundet sich mit der etwa gleichaltrigen Tracy an, sein Vater Ben und er finden zueinander und auch Pauls Beziehung zu Chuck normalisiert sich. Paul verlebt interessante Ferien in New York und reist mit dem Gefühl heim, erwachsener geworden zu sein und nicht nur neue Freunde, sondern auch zwei Väter gefunden zu haben.
Die Autorin charakterisiert ihre Protagonisten sehr differenziert und realitätsnah. Sie stellt zwanglos die Verschiedenartigkeit der Menschen nebeneinander und plädiert dabei für Toleranz und gegenseitige Achtung. Dies geschieht ganz ohne erhobenen Zeigefinger und auf einem Niveau, das auch Leser vor der Pubertät verstehen können. Paul stellt sich seinen Gefühlen und auch den Gefühlen seiner Mitmenschen, ohne zu verhehlen, dass er teilweise damit überfordert ist, mit ihnen umzugehen. Er steht eben genau wie die Leser an der Schwelle zum erwachsen werden und muss seinen Platz zwischen kindlicher Unerfahrenheit, jugendlicher Coolness und erwachsener Reife noch finden. Mit dieser für die jungen Menschen selber meist sehr komplizierten Situation gehen die Personen in Nina Schindlers Buch ganz unbefangen um. Das kann sicher auch den Lesern Mut machen.
Die Autorin schreibt in einer lockeren Sprache mit viel wörtlicher Rede, die sich leicht lesen lässt. Wie nebenbei erfahren die Leser auch noch etwas über Sehenswürdigkeiten und das Leben in New York.
Die schwarz-weißen Zeichnungen sind mit Humor gemacht und charakterisieren die dargestellten Personen sehr gut. Leider wird Paul, der im Text als eher pummelig beschrieben wird, in den Zeichnungen als schlaksiger Typ dargestellt. Alles in allem passen die Zeichnungen aber sehr gut zum Text.
Insgesamt ist “Väter und Sohn” ein ausgesprochen gelungenes Buch, das sich zudem mit einem Thema beschäftigt, über das viele abwertende Bemerkungen gemacht werden und das in den Köpfen vieler v.a. Jungs herumspukt, über das sich aber die wenigsten offen zu sprechen trauen. “Väter und Sohn” kann hier zu mehr sachlichem Umgang mit Homosexualität anregen und Tabus brechen. Nina Schindler ist es gelungen, “schwere Kost” eingängig und unterhaltsam zu einem absolut empfehlenswerten Buch zu verpacken.