Unterwegs mit Kaninchen
- Autor*in
- Tienti, Benjamin
- ISBN
- 978-3-7915-0102-4
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Kuhl, Anke
- Seitenanzahl
- 208
- Verlag
- Dressler
- Gattung
- Buch (gebunden)Erzählung/Roman
- Ort
- Hamburg
- Jahr
- 2019
- Lesealter
- 8-9 Jahre10-11 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 13,00 €
- Bewertung
Teaser
Andrea ist kein Mensch der großen Worte. Am liebsten vergräbt er sich in einen Karton oder beschäftigt sich mit seinem alten Kaninchen Maikel. Als sein Vater ihn mit Farah und deren Tochter als Dauergäste überrascht, freut sich Andrea gar nicht. Aber es kommt noch schlimmer.
Beurteilungstext
Andreas Mutter hat ihre Familie vor zwei Jahren verlassen, weil sie sich verändern wollte. Sie lebt nun in einer alternativen Gemeinschaft in der Nähe von Freiburg und fungiert dort als Heilerin. Immer wieder bietet sie Andrea an, dass er zu ihr kommen dürfe. Doch Andrea ist am liebsten zuhause, wo er sich bei Stress in seinen Karton zurückziehen kann, oder kümmert sich liebevoll um den alten Maikel, den er zusammen mit seinem Vater in Streichelzoo entdeckt hatte. Da Maikel sich nicht sozialisieren ließ, gab es für den Tierpfleger keine Bedenken, dem alten Tier einen fürsorglichen Platz außerhalb der Gruppe zu schenken. Andreas Vater arbeitet als Anästhesist im Krankenhaus und kann sich nur wenig um seinen Sohn kümmern. Am schönsten ist es, wenn sie gemeinsam kochen, natürlich vegetarisch, weil der sensible Andrea nie ein Lebewesen essen könnte.
Eines Tages bringt sein Vater eine Patientin und deren Tochter mit nach Hause, die wegen häuslicher Gewalt vorübergehend eine neue Bleibe suchen. Andrea ahnt, dass mehr dahintersteckt. Fridaa, die Tochter, spricht gut Deutsch, ist aber mehr als zickig und erkennt Andreas Rückzugsräume nicht an. Farah, die Mutter, spricht fast ausschließlich Arabisch, beide sind vor dem Ausbruch des Kriegs in Syrien nach Deutschland gekommen und hiergeblieben. Andrea fühlt sich völlig hilflos und überrollt von der plötzlichen Fülle in ihrer kleinen Wohnung. Während eines Streits zwischen ihm und Fridaa hüpft Maikel in deren Zimmer, das Mädchen hebt ihn noch, nicht wissend, dass Kaninchen dies nicht leiden können. Maikel windet sich und beißt Fridaa in die Hand, woraufhin sie ihn fallen lässt. Er fällt unsanft und bricht sich die Vorderpfote. Andrea ist fassungslos. Aber es kommt noch schlimmer: Der Tierarzt empfiehlt, das alte Tier einzuschläfern, weil es mit drei Pfoten nicht gut zurechtkommen kann und sein Allgemeinzustand nicht der beste ist.
Andreas Soforthilfeprogramm startet: Er ruft seine Mutter an, damit sie Maikel mithilfe ihrer ‚Energie‘ heilen soll. Die Mutter warnt ihn vor dem Transport und schickt ihm Kraft durchs Telefon - aber das ist Andrea nicht genug. Er will nicht zusehen, wie sich das Tier quält und fasst bei einer Kartonsitzung einen Plan: Wenn die Mutter nicht zu ihm kommt, fährt er mit Maikel nach Freiburg, dann kann er vor Ort geheilt werden. Mitten in der Nacht schleicht er sich mit einer belüfteten Kühlbox und Geld für die Fahrkarte aus der Wohnung und begibt sich zum Bahnhof. An Essen hat er nicht gedacht. Eigentlich läuft alles nach Plan, er kauft die Fahrkarte nach Freiburg, die fast sein ganzes Geld verschlingt, und richtet sich auf eine entspannte Zugfahrt ein. Doch schon bei der ersten Fahrkartenkontrolle stellt ihm der Schaffner misstrauische Fragen, plötzlich taucht Fridaa auf, die ihm gefolgt ist, aber keine Fahrkarte besitzt. Sie macht ihm klar, dass seine Fahrt hier enden wird, weil das Zugpersonal bereits die Polizei informiert hat. Beim nächsten Bahnhof verlassen sie in einer spektakulären Aktion den Zug und gehen durch die Nacht zur nächsten Autobahnraststätte. Obwohl Fridaa per Zettel ihrer Mutter mitgeteilt hat, dass sie nicht entführt, sondern nur unterwegs seien, ist klar, dass die Kinder gesucht werden. Dabei hat Andrea sich das alles so einfach vorgestellt – aber ihre Fahrt nach Süden gestaltet sich eher wie ein Abenteuer und bringt die beiden Jugendlichen an ihre Grenzen. Wenn nur die Rettung für Maikel noch rechtzeitig kommt.
Zwei völlig verschiedene Mentalitäten und Menschen treffen aufeinander, weil die Erwachsenen Gefallen aneinander gefunden haben. Jedes Kind versucht, sich von dem anderen abzugrenzen, seinen Claim abzustecken, das ihm Wichtige zu bewahren – für Andrea sind dies sein Karton sowie der alte Maikel, für Fridaa gilt es einzig und allein, die nächste Gürtelprüfung im Taekwondo zu bestehen. Obwohl sie immer sich zunächst sehr ablehnend gegenüber Fremden verhält, schmilzt das Eis relativ schnell. Andrea, der so schüchtern ist, dass er meist keine Worte findet, braucht deutlich länger, um Kontakte aufzubauen, er wirkt weltfremd und rasch überfordert. Am Ziel angelangt, haben sich beide Abenteurer zu einem gut funktionierenden Team arrangiert, in dem jeder den anderen respektiert und wertschätzt. Gleichzeitig hat sich Andreas ‚Mutterbild‘ relativiert, er kann nun akzeptieren, dass diese ihr Leben lebt und sein Vater eine neue Beziehung eingehen möchte.