Unter Brüdern

Autor*in
Bredsdorff, Bodil
ISBN
978-3-8251-7669-3
Übersetzer*in
Zöller, Patrick
Ori. Sprache
Dänisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
111
Verlag
Urachhaus
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2009
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Schon sehr bald nach dem Umzug aufs Land wird für Martin - trotz einer ersten, unangenehmen Begegnung - der Nachbarsjunge HP zum unerlässlichen Kameraden: Gemeinsam meistern sie schwierige familiäre Situationen und geben einander Halt während Zeiten der Armut, Trennung der Eltern und Gewalt. Auch in der Schule können sie sich aufeinander verlassen und halten zusammen gegen die Klassenschläger. Denn sie verbindet eine bedingungslose Freundschaft.

Beurteilungstext

Das erste Buch der Dänin, das auf Deutsch erschienen ist, ist - trotz herausragender Qualität - schwierig einzuordnen: Erzähltechnisch und von Aufbau, Länge und Syntax her ist die Erzählung für 10- bis 12-Jährige geeignet. Der Protagonist Martin, ein Schuljunge, dessen Alter während des ganzen Buches im Verborgenen bleibt, erzählt in der Ich-Perspektive. Die Handlung wird linear ohne Zeitsprünge erzählt und die Kapitel sind kurz, ebenso die meisten Sätze und viele wörtliche Reden machen die Handlung anschaulich.

Jedoch geben Wortwahl und Thematik Hinweise darauf, dass Kinder in diesem Alter noch nicht bereit für solch ein psychologisch anspruchsvolles Buch sein könnten. Den Stil zeichnen viele Metaphern, ein überaus reicher Wortschatz mit vielen ausgefallenen, fast poetischen Wörtern aus, die hervorragend ins Deutsche übertragen wurden. Die vielschichtigen und individuell gezeichneten Figuren werden oftmals nur indirekt charakterisiert. In der Geschichte überwiegen innere Handlungen und Probleme, die vielfach unter der Oberfläche liegen und nicht direkt thematisiert werden.

Das Verhalten der Romanfiguren zu verstehen und nachzuvollziehen, verlangt eine hohe empathische Kompetenz vom Leser: Nicht nur die Handlungen der Personen allein zählt, ebenso wichtig ist es, die Umstände zu betrachten, die deren Verhalten beeinflussen. Martin beispielsweise leidet unter dem ständigen Streit seiner Eltern, die Existenzängste plagen, und unter dem Auszug des Vaters. Martins Vater kann nicht ertragen, dass seine Frau als Kunstmalerin erfolgreicher ist als er in seinem Beruf - er sieht seinen Lebenstraum zerplatzt. HP, der Nachbarsjunge, ist Martin gegenüber anfangs sehr aggressiv. Dies kann man nicht losgelöst von der Tatsache betrachten, dass dessen alkoholabhängiger Vater gegenüber HP und HPs Mutter gewalttätig ist. HPs Vater wird von seinem Arbeitgeber oft gedemütigt.

Schließlich werden die beiden Jungen Freunde. Auch diese Freundschaft, in der sie Halt, gegenseitige Unterstützung, Vertrauen und Sicherheit finden, muss vor dem Hintergrund ihrer Probleme gesehen werden.

Will man das Werk, das für Erwachsene sicherlich eine große Bereicherung darstellt und zum Nachdenken anregt, mit Jugendlichen lesen, so sollten unbedingt die zentralen Themen Armut, Gewalt, Alkoholismus und Freundschaft, evtl. auch Selbstwertgefühl oder Werte im Allgemeinen, genauer besprochen werden.

Gerade durch die Sprache und die verschiedenen psychologischen Ebenen kann das Buch Jugendlichen, die damit allein gelassen werden, Probleme bereiten - auch durch die Tatsache, dass insgesamt kein wirklicher Spannungsbogen vorhanden ist und die Handlung selbst vor dem Innenleben der Figuren in den Hintergrund tritt. Vielleicht bereitet auch die beschriebene fremde Welt - ein Haus auf dem dänischen Land, anfangs ohne Badewanne, Waschmaschine, Warmwasseranschluss und Heizung - manchen Kindern Schwierigkeiten.
Das Ende der Erzählung ist wiederum eher auf Kinder ausgelegt. Die Probleme lösen sich nämlich allesamt, gerade für heutige Verhältnisse etwas unrealistisch, in Wohlgefallen auf: HPs Vater erkennt nach einem Schlaganfall den Wert der Familie, entsagt dem Alkohol und behandelt alle gut, Martins Vater kehrt nach Verarbeitung seines Versagens in die Familie zurück und ist zufrieden mit einem anderen Job und Martins Mutter verdient als Kunstmalerin so viel Geld, dass die Familie das Haus renovieren kann und nicht mehr in Armut leben muss.

Alles in allem ist das Buch also sehr problemorientiert, aber durchaus lesenswert und literarisch von hoher Qualität.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von CJB.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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