Unsinn lässt grüßen

Autor*in
Gtzschhahn, Uwe-Michael
ISBN
978-3-8369-5482-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Dietl, Erhard
Seitenanzahl
45
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Lyrik
Ort
Hildesheim
Jahr
2012
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Subversive und manchmal auch poetische Sprachspielgedichte.

Beurteilungstext

Text
1965 traten Hans Manz ("Lügenverse") und 1967 Ernst Jandl ("Laut und Luise") erstmals mit sprachspielerischer Kinderlyrik auf den Plan. Gleichzeitig gab Peter Rühmkorf mit "Über das Volksvermögen" (1967) von ihm gesammelte Untergrundpoesie heraus, freche Verse, die von Kindern im Vorschulalter auf der Straße von Generation zu Generation mündlich weitergegeben werden. Damit hob er aus der Subkultur einen Schatz an Sprachspielversen ans Licht und machte ihn zugänglich. Sie wurden Teil der antiautoritären Kinderliteratur.
Diese Traditionslinie setzt Uwe-Michael Gutzschhahn im vorliegenden Band "Unsinn lässt grüßen" fort. Er breitet das ganze Spektrum aus: kleine Lügengedichte, Klapphornverse, Schimpfgedichte, sprechende Namen, Silbenvertauschungen, ABC-Gedichte und Zungenbrecher. Dazwischen auch stimmungsvoll poetisch kindlich Sinnierendes, z. B. über die Unendlichkeit. Das Prachtstück ist die "Spucknapf-Demo", in der von den drei Wörtern "Joghurtbecher Joghurtbecher Spucknapf" in unendlicher Variation die Vokale und Silben vertauscht werden und sich durch die rhythmisch akzentuierte Wiederholung grotesk steigern.
In den anderen Gedichten reihen sich Wörter mit gleichen Silben zu einem sinnlosen Reigen in Knittelversen und vermitteln ein sprachspielerisches Vergnügen, das sich am lautmalerischen Klang der Wiederholungen erfreut, aber auch an der subversiven Bedeutung, die das Ordnungsgefüge der Welt respektlos auseinandernimmt, formal um des puren Reimes und Gleichklangs willen; tatsächlich wird die Ordnungswelt dadurch lächerlich gemacht. Im selben Sinn werden durch Wörter- und Sinnverdrehungen bekannte Texte - auch von berühmten Literaten - persifliert. Und genussvoll werden für wohlerzogene Kinder verbotene Tabuthemen angesteuert.

Illustrationen
Erhard Dietls Radierungen eröffnen dazu einen selbstständigen Bildraum mit eigenen Bildfindungen, die die Aussage der Texte unterstreichen. Sie wirken auf den ersten Blick verwirrend, aber nie beunruhigend. Das Bedrohliche wird mit einer augenzwinkernden Ästhetik eingefangen und gezähmt.
Protagonisten sind Tiere und erwachsene Menschen, die sich hier fröhlich eingerichtet haben und durch einen phantastischen Raum fliegen, schweben und schwimmen. Den heiteren Unsinnversen entsprechend, finden sie sich in einer verkehrten Welt, einem schwebenden Alltag, in dem Oben und Unten aufgehoben sind.
Ein kindlich-naiver Mann macht Handstand auf einem Stuhl, der nur auf einem Bein balanciert. Der Mann befindet sich dabei in einer Waagerechtlage, die jedem Schwerkraftgesetz Hohn spricht. Auf einem anderen Bild steht er in der Unterhose da und entspricht mit seinen dünnen Beinen, der Hühnerbrust und dem unsportlichen Bauch durchaus nicht dem Männlichkeitsideal. Seine unvollkommene Kleidung in programmatischer Unordnung ist ein Zeichen der Widersetzlichkeit gegen perfektionierte Bürgerlichkeit. Er ist erstaunt ob der ihm zustoßenden Wundersamkeiten und Tücken des Objekts. Gleichzeitig hat er träumerische Qualitäten, die ihm den Zugang zur Welt der Phantasie ermöglichen.
Die Frau mit ihrem breiten Kleid und den dicken, fest auf den Boden aufgesetzten Beinen steht eher auf dem Boden der Wirklichkeit. Sie hält den Mann am Schlips fest, als er in seiner Verliebtheit wie ein Luftballon zu entschweben droht.

Form
Der Band in ungewöhnlichem, nahezu quadratischem Format ist luftig gedruckt und lässt viel Raum um die kleinen Textblöcke und die farbigen Illustrationen, die jeweils auf einer separaten Seite platziert sind.
Die Bilder sind jeweils durch einen zarten Strich eingefasst und in zurückhaltenden Farben Ton in Ton koloriert in Variationen von durchscheinenden Braun-Beige-Orange- oder Grün-Blau-Tönen. Gelegentlich sind die beiden Farben gleichzeitig im selben Bild eingesetzt und gehen delikat vom kalten Blau zum warmen Orange über.
Die Zeichnungen sind linear in genau gesetzter sparsamer geschlossener Strichführung: humorvoll, karikaturistisch, mit Anklängen an naive Kinderzeichnungen, köstlich in genau beobachteten Details.

Autor
Uwe-Michael Gutzschhahn hat zahlreiche Gedichtbände veröffentlicht. Sowohl für seine eigenen Bücher als auch für seine Übersetzungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis. Der von ihm übersetzte Titel "Post vom Erdmännchen" von Emily Gravett wurde 2007 für den Lesepeter ausgewählt.

Einsatz im Unterricht
Die Verse machen Spaß und sollten Grundschulkinder dazu animieren, sich selbst, angelehnt an Kinderreime, in Sprachspielereien zu versuchen und Bilder dazu zu malen.
Im Kunstunterricht könnte man, inspiriert durch Dietls Illustrationen, ganze Blätter in durchsichtigen Farben aquarellieren, die ineinander übergehen. Darauf könnte man mit Bleistift und später mit schwarzem dünnem Filzstift nachgezogen, Zeichnungen setzen.

[gsd Hamburg]

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Diese Rezension wurde verfasst von gsd.
Veröffentlicht am 01.01.2010