UNICEF-Report 2016. Flüchtlingskindern helfen.

Autor*in
UNICEF,
ISBN
978-3-596-03589-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
296
Verlag
Gattung
Ort
Frankfurt/Main
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
11,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

"Ich möchte nicht mein ganzes Leben ein Flüchtling sein", sagt der 14jährige Omayamah aus Syrien. Er ist einer von 30 Millionen Kindern und Jugendlichen, die auf der Flucht sind. Der UNICEF-Report 2016 erinnert zum 70jährigen Jubiläum der Welthilfsorganisation an seine Geschichte als "Kriegskind" im zerstörten Europa und fokussiert insbesondere auf die Situation der Kinder und Jugendlichen in Krisen- und Kriegsgebieten.

Beurteilungstext

Vor knapp 20 Jahren wurden von UNICEF Mindeststandards zur Lage der Kinder weltweit als "Zentrale Verpflichtung gegenüber Kindern in der humanitären Hilfe" formuliert (S. 25). UNICEF ist mit einer Reihe von Programmen in diesem Sinne aktiv: Nothilfeprogramm insbesondere für Flüchtlingskinder wie z.B."No lost Generation" oder "Back to learning" - um nur zwei zu nennen. Ein wichtiger Schwerpunkt sind die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen in einen halbwegs normalen Alltag mit Lernen und Unterricht. Afshan Khan (Direktorin der Nothilfeprogramme von UNICEF) formuliert es so: "Anhaltende Krisen bedeuten, dass Kinder über Jahre hinweg nicht nach Hause zurückkehren können. Dennoch müssen sie so schnell wie möglich wieder lernen. Schulbildung gibt Kindern körperlichen, psychosozialen und verstandesmäßigen Schutz, der sowohl lebensrettend als auch lebenserhaltend sein kann. Sie hilft dabei, ein Gefühl der Normalität aufrechtzuerhalten und gibt ihnen Zugang zu Grunddiensten wie Unterkunft , Nahrung ..." (S. 32) Auch Christian Schneider (UNICEF Deutschland) verweist in seinem Beitrag darauf, wie wichtig der Schulunterricht ist, indem er ihnen Halt und einen geschützten Raum von Hoffnung gibt .(S. 20) Ein erfolgreiches und Hoffnung gebendes Beispiel wird aus dem Libanon berichtet: Für das Schuljahr 2015/16 galt dort, dass die Eltern von der Zahlung von Schulgeld befreit sind. Außerdem war der Schulbesuch nicht an eine Aufenthaltserlaubnis gebunden. (S. 43).
In mehreren Beiträgen wird die Universalität von Kinderrechten betont und von den Regierungen in Europa gefordert, diese als oberste Richtschnur zu setzen. Insb. der Beitrag von Verena Knaus (UNICEF Brüssel) spiegelt dies so deutlich, dass es des Nachsatzes bedurfte, dass dieser Beitrag nur die persönliche Meinung der Autorin sei. (S. 71) Nachdenklich stimmen die Portraits von Kindern aus Syrien, dem Libanon, dem Südsudan und der Ukraine, die mit ihren Familien oder alleine vor Krieg und Armut geflüchtet sind und sich nichts sehnlicher wünschen als in Sicherheit und Frieden aufwachsen und lernen zu dürfen - sie sind glücklich für einen Moment wie Alaa (8) aus Syrien in einem Flüchtlingslager im Libanon (S. 85-87). Oder Rouba (13), die in einem jordanischen Camp lebt und Fußball spielen ebenso liebt wie Malen und Basteln, was ihr ein Kooperationsprojekt mit UNICEF ermöglicht (S. 88/89).
Den weitaus größten Anteil an diesem Report machen allerdings die Datensammlung und die Tabellen zur Situation der Kinder in der Welt aus - von den knapp 300 Seiten sind dies fast 200. Das umfangreiche Datenmaterial zu fast 200 Staaten der Erde zeigt "die aktuellen Schlüsseldaten zu Überleben, Entwicklung und Schutz von Kindern weltweit, nach Ländern, Gebieten und Regionen unterteilt." (S. 107). Das Zahlenmaterial kann auch online abgerufen werden - dort auch aktualisiert. Die Daten stammen aus verlässlichen eigenen und "statistisch soliden weltweiten Quellen". Lese- und Verstehenshilfen zu den 14 Tabellen geben vor allem die Definitionen und die Einführungen zur Gewichtung (und Gewinnung) der Daten. (S. 109ff) sowie zur Methodik der Erhebungen und ihrer Vergleichbarkeit/Nichtvergleichbarkeit. Einige Neuerungen gibt es auch: Der in der Tabelle 7 gelistete ökonomischen Indikator zum Anteil der Kinder, die in Haushalten unter der Armutsschwelle leben ist neu, ebenso wurde in Tabelle 8 Frauen der Indikator Gesundheitscheck nach der Geburt ergänzt (S. 112). Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren wird von UNICEF als zentral für die Situation von Kindern angesehen, deshalb findet man in dieser Basistabelle die Länder nicht alphabetisch geordnet, wie in den anderen Tabellen, sondern nach der Rangfolge: Erschreckend (aber nicht unerwartet) finden sich unter den 30 ersten Rängen nur drei nicht afrikanische Staaten: Afghanistan auf Rang 16, Pakistan auf Rang 22 und Haiti auf Rang 29. Und interessant: Kuba hat eine niedrigere Sterblichkeitsrate als die USA! (153 vor 148).
Die Daten bieten eine Fülle von Informationen und möglichen Fragestellungen - gerade auch für die Schule. Das Zahlenmaterial fordert geradezu heraus zu vergleichenden Untersuchungen (z.B. im Blick auf einzelne Länder oder Ländervergleiche u.a.m.). LehrerInnen können leicht eigene Aufgabenstellungen entsprechend den Fähigkeiten ihren Schülerinnen stellen - mit mehr oder auch weniger Scaffolding. Sowohl im Gesellschaftslehreunterricht wie auch im Ethik- und oder Religionsunterricht können sich Gespräche anschließen.
Ich habe mal beispielhaft den Staat Somalia angeschaut, weil viele meiner Schülerinnen aus Somalia kommen, einem Land in dem weibliche Genitalverstümmelung noch an der Tagesordnung ist. In Tabelle 9 "Kinderschutz" hat mich besonders der extrem hohe prozentuale Anteil (höchste weltweit!) von Frauen zwischen 15 und 49 Jahren erschüttert, die selbst beschnitten sind (98 %) und der ebenso hohe Wert von 65 % von Frauen, die diesem barbarischen Ritual befürwortend gegenüber stehen. (S. 220/221)
Wie wird es da "meinen Mädchen" ergangen sein?

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Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.04.2017