Und wenn er nicht gestorben ist, kann's sein, dass er sie heut noch küsst. Grimms Märchen in Reimen

Autor*in
Boese, Cornelia
ISBN
978-3-95728-472-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bunge, Daniela
Seitenanzahl
144
Verlag
Knesebeck
Gattung
Buch (gebunden)Märchen/Fabel/Sage
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
22,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Vierzehn Märchen der Gebrüder Grimm. In Verse gefasst und in ästhetisch ansprechender Form verlegt.

Beurteilungstext

Vierzehn der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm sind von Cornelia Boese in Reime gesetzt worden. Durchgängig sind es vierhebige Trochäen, als Paarreimverse gesetzt. Dafür gebührt der Autorin zunächst echte Anerkennung, denn es gelingt ihr fast durchgängig, in die Verse einen Erzählduktus zu weben, der über "Reim dich - oder ich fress‘ dich" hinausgeht. Das ist bei anderen Märchenversen nicht immer der Fall.

Gelungen sind vor allem die Verse, die nicht nur Reimschema und Versmaß nutzen, sondern auch andere poetische Mittel.

"Sie schlemmten, schlangen, schmausten, schmatzten,
sie fraßen, bis sie beinah platzten"

So heißt es über die Bremer Stadtmusikanten. Hier hat der Vers eine große Kraft.

Ausgewählt wurden wohl die bekanntesten Märchen. Und so erzählt der Band inhaltlich wenig Neues für halbwegs informierte Menschen und märchengewohnte Kinder. Klar: Rotkäppchen, Hänsel und Gretel und Schneewittchen, das sind starke literarische Stoffe. Es wäre aber schön gewesen, wenn neben bekannten Märchen vielleicht auch weniger bekannte einen Platz gefunden hätten.

Grundsätzlich ist die Narration nah an den grimmschen Originalen. Handlungsschritte werden beibehalten, teilweise sogar ein wenig ausgeschmückt. Insbesondere Dialoge bekommen einen neuen Stellenwert. So schimpft die Mutter bei der Rückkehr von Hänsel und Gretel:

„Was tatet ihr so lang im Wald?
Wir dachten, ihr kommt gar nicht mehr.
Zur Strafe bleibt der Teller leer!“

Auch die vershaften Sprachelemente der Märchen werden dem hier verwendeten Versmaß angepasst. So spricht der Spiegel zu Schneewittchens Stiefmutter:

„Frau Königin, die schönste hier
seid zweifellos noch immer Ihr.
Schneewittchen nebenan jedoch
ist tausenddrei Mal schöner noch!“


Teilweise werden aber von den Märchen nicht alle Teile aus der grimmschen Fassung übernommen. Beim Froschkönig fehlt zum Beispiel die Nachgeschichte vom Eisernen Heinrich. Und auch das Rotkäppchen wird stark angepasst. Andererseits wird vielen Märchenfiguren ein Name zugewiesen. Es ist fraglich, ob das sinnvoll ist - und ob die Namen nicht nur gewählt wurden, damit sie besser in Reim und Versmaß passen? So heißt die Prinzessin beim Froschkönig Lea. Rotkäppchen heißt Ruth. Gibt es dadurch einen Mehrsinn? Bezüge zum Buch Ruth in der Bibel sehe ich nicht. "Die Freundin (Gottes)" oder "Begleiterin" wird dem Namen in Namenslexika zugeschrieben. Passt das zu Rotkäppchen?

Es fragt sich, was für einen Mehrwert gereimte Gedichtformen mit sich bringen. Zum einen sind Gedichte in der Regel eine „Verdichtung“ von Inhalt und Sprache. Die Form ermöglicht eine Komprimierung auf Wesentliches, erlaubt (grammatische, sprachliche, inhaltliche) Auslassungen und Sprunghaftes. Dieses Prinzip ist hier kaum genutzt. Die Reimgedichte sind recht lang, an einigen Stellen werden sie sogar ausgeschmückt oder die Handlung wird auch in knapper Form bewertet. Ein weiterer Mehrwert ergibt sich aus den sprachspielerischen Möglichkeiten, der Breite an poetisch möglichen Stilmitteln. Doch auch diese werden kaum genutzt. Versmaß und Reimschema werden nicht für eine Unterstützung der Dramaturgie variiert oder verändert. Selten findet sich ein Enjambement oder eine Alliteration, aber weitere Sprachspiele bleiben aus. Schade. Denn die Märchen in der Fassung der Brüder Grimm sind ja nicht so schlecht, dass man sagen könnte, dass sie durch diese Versform ersetzt werden könnten.

Positiv hervorzuheben sind jedoch die Illustrationen von Daniela Bunge. Oft sind Einzelelemente in den Weißraum der Seiten gesetzt und gehen damit in Korrespondenz mit dem Text über ihn hinaus, indem z. B. die Figuren durch Mimik und Gestik Gefühle stärker zeigen, als es der Text hergibt. Scheinbar unwichtige, aber doch interessante Details/Gegenstände werden ergänzt (z. B. eine umgestoßene Blumenvase bei "Der Wolf und die sieben Geißlein"). Zudem gibt es auch ganz- oder doppelseitige Abbildungen, die zentrale Szenen umsetzen. Zu jedem Märchen gibt es ein schmückendes Zwischentitelblatt.

Insgesamt liegt hier also ein ästhetisch schönes Märchenbuch vor, das die narrativen Kerne einiger Märchen der Brüder Grimm in Versform nacherzählt. Auch wenn der spezifische Mehrwert der neuen Verse nur gering sein mag, wird man mit den Gedichtfassungen in Kindergarten oder Grundschule arbeiten können. Sie fordern dazu heraus, einen Vergleich mit den Originalmärchen vorzunehmen oder eigene Märchengedichte zu verfassen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 15.03.2022

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