Um Mitternacht

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• Natur

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Vor 182 Jahren hat Eduard Mörike sein Gedicht “Um Mitternacht” verfasst, jetzt hat Hannes Binder zu jeder Zeile des Gedichts ein Bild in seiner unnachahmlichen Schabkartontechnik gezeichnet, das den Inhalt auf sehr individuelle Weise interpretiert.

Beurteilungstext

In Mörikes Werk geht es um den ewigen Tag-Nacht-Rythmus. Gleich zu Beginn steigt die im Gedicht personifizierte Nacht an Land, hier dargestellt durch ans Ufer strömendes Wasser und eine Landschaft mit Bäumen und Häusern, die sich in der Schwärze verliert. Als um Mitternacht die Zeit für einen Moment still zu stehen scheint, tauchen Erinnerungen an den gewesenen Tag auf: Ein verlassenes Fußballfeld und abgestellte Autos vor dunklen Mietshäusern. Doch die Welt bleibt nicht ruhig, denn "kecker rauschen die Quellen hervor", eindrucksvoll dargestellt durch einen ununterbrochenen Verkehrsstrom, ein Containerschiff auf hoher See, einen dahingleitenden Inline-Skater oder Menschen, die in einem nächtlichen Salon noch einen Schlummertrunk zu sich nehmen. In jedem Bild spürt der Betrachter den kühlen Nachtwind, Binders lange und kurze Federstriche vermitteln die Ruhe langsam verstreichender Zeit und zugleich Bewegung. Eine besondere Bedeutung hat das Wasser, die nacheinander anrollenden Wellen symbolisieren den Rythmus der Natur, der sich ohne Rücksicht auf die Aktivitäten der Menschen wiederholt. Auf den letzten beiden Seiten beschreibt Binder seine enge Beziehung zu Mörike, mit dessen Werken er im Hause seiner Großmutter aufgewachsen ist. Ohne diese Beziehung wäre das Buch wohl nicht zustande gekommen.
Das schön gestaltete Titelbild, der Leinenrücken und das kleine Querformat (14x30) machen das Buch zu einem ungewöhnlichen kleinen Schatz für Erwachsene mit Sinn für Lyrik. Vorstellbar ist, dass auch ältere Kinder und Jugendliche sich von den schönen Versen und den ausdrucksstarken Bildern beeindrucken lassen.